Fritz Mann Taschenpistole, Modell 24


Vorbemerkung: Allen Interessierten an den Waffen der Waffenfabrik Fritz Mann empfehle das sehr gute Buch von Peter Dannecker Technikgeschichte der Firma Fritz Mann. Zu den in der Literatur als Modell 20 und 21 bezeichneten Pistolen im Kaliber 6,35 mm Browning hatte ich bereits im Februar 2021 hier berichtet. Dieser Artikel widmet sich dem Nachfolger, dem Modell 24, im Kaliber 7,65 mm Browning, 9mm kurz und 6,33 mm Mann. Diese Pistole wurde, wie die Bezeichnung vermuten lässt, ab 1924 angeboten . Dieser Artikel basiert auf Informationen aus Peter Danneckers Buch, der Recherche in Patenten, Originaldokumenten und Werbeanzeigen sowie der Untersuchung von Realstücken. 

Zur Geschichte der Fritz Mann Waffenfabrik

Die Fritz Mann Feinmaschinen-, Waffen- und Werkzeugfabrik wurde 1896 im thüringischen Suhl-Neundorf gegründet. Die Eigentümer Fritz Mann, sein Bruder Otto und sein Sohn Willy waren umtriebige Erfinder und erhielten Patente für Ski-Bindungen, Kettensägen, Motoren oder Sturzhelme. Um 1924 firmierte das Unternehmen als MANN-Werke A.G.


Im Juli 1920 präsentierte Fritz Mann eine kleine Taschenpistole im Kaliber 6,35 mm Browning, die sich mit rund 240 g Gewicht als deutlich kleiner und leichter als die zeitgenössische Konkurrenz erwies. Dies gelang durch eine mit dem deutschen Reichspatent (DRP) Nr. 334098 "Anordnung zum Bremsen der Verschlussbewegung bei Rückstossladern mit festem Lauf" vom 4. März 1920 patentierte Lösung. Das Patronenlager hat eine umlaufende Nut, in die das Hülsenmaterial im Schuss kurzzeitig fließen und sich die Hülse dadurch im Patronenlager abstützen kann. Hierdurch wird der Rücklauf des Verschlussstücks gebremst und es reduziert sich damit dessen erforderliche Masse. 

Das Konzept war jedoch unzuverlässig und trotz Nachbesserungen konnte sich Mann am Markt nicht durchsetzen. Und so präsentierte die Firma Anfang 1924 eine seine Pistole, um die es hier gehen soll. 

In den 1930er Jahren ließ Fritz Mann vom Waffen- und Maschinenbau ab und 1938 wurde die Firma schlussendlich liquidiert.

Technische Beschreibung und Patente

Beim Modell 24 handelt es sich um eine Selbstladepistole mit Masse-Verschluss und Schlagbolzenschloss, die in den Kalibern 7,65 mm Browning, 9mm kurz und 6,33 mm Mann angeboten wurde. Die Pistole ist leichter und kompakter als viele Konkurrenzprodukte im Kaliber 6,35 mm Browning - Vorzüge, die durch Fritz Mann auch genauso beworben wurden. Wie bereits beim Vorgängermodell gelang die kompakte Bauweise nur durch die Verwendung der umlaufenden Nut im Patronenlager nach DRP 334098.

Darüber hinaus sicherte sich Willy Mann die Art der Laufbefestigung sowie die Befestigung der Griffschalen mit Patenten ab.  


  • DRP 389738, Selbstladepistole, ausgegeben am 11. Februar 1924. Willy Mann sichert sich mit diesem Patent einen Hülsenausstoßer mittels der Schlagbolzenspitze. Hierzu liegt eine sogenannte Pufferfeder mit einem Federdorn frei innerhalb der Schlagbolzenfeder. Die vom Hülsenauszieher gehaltene Hülse läuft zunächst mit dem Verschlussstück zurück. Erreicht das Verschlussstück seine hintere Stellung, stößt die Pufferfeder mit dem Federdorn am Widerlager des Griffstücks an und drückt die Schlagbolzenspitze nach vorne, die wiederum die Hülse aus ihrer Position stößt. Gleichzeitig soll die kräftige Pufferfeder auch den Rücklauf des Verschlussstücks dämpfen.
  • DRP 390827 Griffschalenbefestigung an Handfeuerwaffen, ausgegeben am 25. Februar 1924. Das Patent sichert die Befestigung der Griffschale mittels eines mit dem Griffschalenmedaillon verbundenen Hebels, der in das Griffstück eingreift.
  • DRP 392116 Griffschalenbefestigung an Handfeuerwaffen, ausgegeben am 15. März 1924. Ergänzung zum DRP390827 mit Hilfe dessen eine federnde Klemmung des Hebels zur Griffschalenbefestigung erreicht wird.
  • DRP 393616 Selbstladepistole, ausgegeben am 14. April 1924. Der Patentanspruch bezieht sich auf einen in einen Vorsprung des Griffstücks eingeschraubten Lauf mit Flachgewinde, der das Abheben des Verschlussstücks vom Griffstück sperrt. Erst nach Herausschrauben des Laufs wird eine Aussparung in den Führungsleisten freigegeben, sodass das Verschlussstück darüber nach oben abgehoben werden kann. Darüber hinaus hat der Lauf am Patronenlager eine sich nach hinten fortsetzende Nase, die in das Verschlussstück eingreift und so den Lauf gegen Verdrehen sichert. Gleichzeitig lenkt die Nase die aus dem Magazin nachgeführte Patrone ins Lager.


Die Patrone 6,33 Mann sicherte Willy Mann mit einem Gebrauchsmuster (Nr. 853704) im Jahr 1923 ab, Kern des Gebrauchsmusters ist eine Patrone, vornehmlich für Selbstladepistolen, deren Hülse in ein Magazin für größere Kaliber (z.B. 7,65 mm Browning) passt, während das Geschoss einen kleineren Durchmesser aufweist. Die Firma Mauser ging anwaltlich gegen das Gebrauchsmuster vor und zweifelte dessen Rechtsgültigkeit an. Denn Mauser hatte bereits 1910 eine Patrone 6,35 mm Mauser vorgestellt. Mann erklärte aus dem Gebrauchsmuster keine Ansprüche abzuleiten und es nach Ablauf der dreijährigen Bindungsfrist nicht zu verlängern. In zeitgenössischen Artikeln (so bspw. in Der Waffenschmied vom 25. März 1924) wird tatsächlich nur von Waffen im Kaliber 7,65 mm und 9mm gesprochen. Eine mir vorliegende Bedienungsanleitung zeigt jedoch auch die technischen Daten für eine Pistole im Kaliber 6,33 Mann. Artikel und Bedienungsanleitung sind in der Bildergalerie abgebildet.


Das Verschlussstück enthält Schließfeder, Lauf, Schlagbolzen, Schlagbolzenfeder und eine sog. Pufferfeder. Ein Federdorn (wie nach DRP 389738) fehlt, ist aber auch nicht vorgesehen, wie aus der Teileliste der Bedienungsanleitung hervorgeht. 

Das Verschlussstück hat auf der rechten Seite ein Auswurffenster. Unter dem Fenster liegt ein papierdünnes Abdeckblech von der Größe zweier Daumennägel. Dieses Blech fehlt bei vielen Waffen, soll jedoch eigentlich das Eindringen von Schmutz verhindern. Es ist jedoch bei der Montage recht schwierig in Position zu bringen, verrutscht gerne und leistet keinen wirklichen Beitrag zur Funktion. Viele Besitzer eines Modell 24 dürften daher das Abdeckblech entnervt entsorgt haben.

Die Schließfeder ist fest im Verschlussstück verbaut. Will man sie entfernen, muss sie aufwändig über eine Aussparung in den Führungsschienen herausgedreht werden. Links im Verschlussstück liegt mittig ein Ladestandsanzeiger. Befindet sich eine Patrone im Patronenlager, so tritt aus einer Bohrung ein Stift sicht- und fühlbar heraus.


Der Sicherungshebel liegt auf der linken Seite vor der Griffschale. Die Sicherung wirkt auf den Abzugsstollen. Neben den Stellungen S. (Sicher) und F. (Feuer) hat der Hebel noch die Stellung Mag. (Magazin). Um das Magazin zu Entnehmen drückt man den Sicherungshebel über die Stellung F hinaus auf Mag und das Magazin wird freigegeben. Ebenso dient der Sicherungshebel zum Festlegen des Verschlussstücks in seiner hinteren Position, bspw. zum Zerlegen oder zur Reinigung. Auch hierzu wird bei halbgeöffnetem Verschlussstück der Hebel nach unten über die Position Mag. gedrückt.

Die Abzugsstange verläuft innen im Griffstück auf der rechten Seite. Das Magazin hat vier in einer Reihe angeordnete Sichtlöcher und fasst fünf Patronen. Die Griffschalen sind aus schwarzem Kunststoff mit einem Fischhautmuster und haben oben den Schriftzug "MANN". In der Mitte der Griffschale liegt der Schalenhalter nach DRP 390827. Das zugehörige Emblem zeigt die Mann Stempelmarke. An der korrekten Stellung der Stempelmarke lässt sich erkennen, dass die Griffschalen vollständig verriegelt sind. Es finden sich aber auch Griffschalen mit einer einfachen Schraube zur Befestigung. 

 

Das Modell 24 wurde brüniert angeboten. Seriennummern sind im Bereich etwa zwischen 41000 bis 53000 bekannt. 


Frühe Pistolen sind auf der linken Seite beschriftet mit:


CAL 7,65 mm MANN WERKE WERKE AG SUHL

MANN'S PATENT


Nach rund 4.500 Stück wechselte Mann auf eine einzeilige Beschriftung:


CAL 7,65 mm MANN WERKE WERKE AG SUHL MANN'S PATENT


Es dürften zwischen Ende 1923 und 1925/26 also bis zu 12.000 Pistolen entstanden sein. Pistolen in 9mm kurz sind deutlich seltener und dürften weniger als 10% aller Exemplare ausmachen. Pistolen in 6,33 mm Mann konnte ich bislang nicht ausmachen. Aufgrund der vorliegenden Bedienungsanleitung gehe ich davon aus, dass auch in diesem Kaliber einige Pistolen produziert wurden. 


Technische Daten

Technische Daten gemäß Bedienungsanleitung. Die Firma Fritz Mann bot auch ein Modell im Kaliber 6,33 mm Mann an.

Werbeanzeige aus der Zeitschrift "Der Waffenschmied" vom 25. März 1924

Zeichnung des DRP 389738 zur Pufferfeder mit dem Federdorn (d). 

Zeichnung des DRP 390827 zum Schalenhalter. 

Zeichnung des DRP 393616 zur Laufbefestigung. 

Querschnitt der Mann Pistole. Quelle: Bedienungsanleitung

Mann 1924 linke Seite
Linke Seite des Modells 1924 mit Ladestandsanzeiger (roter Pfeil).
Mann 1924 rechte Seite
Im Auswurffenster liegt das Abdeckblech und schützt vor dem Eindringen von Schmutz.
Mann 1924 zerlegt
Modell 1924 zerlegt.
Mann 1924 Lauf
Lauf des Modells 1924 mit Flachgewinde und Fortsatz am Patronenlager, der den Lauf in seiner Lage sichert.
Mann 1924 Griffstück
Griffstück links mit dem Sicherungshebel und den drei Stellungen S, F und Mag.
Mann 1924 Abzugsstange
Abzugsstange rechts innenliegend mit Seriennummer.
Mann 1924 Abzugsstollen
Blick auf den Abzugsstollen von oben.
Mann 1924 Widerlager
Das Widerlager für Schlagbolzenfeder und Pufferferder.
Mann 1924 Verschlussstück unten
Blick von unten auf das Verschlussstück.
Mann 1924 Verschlussstück rechts
Die Schließfeder ist fest im Verschlussstück verbaut.
Mann 1924 Verschlussstück oben
Blick von oben auf das Verschlussstück. Als Zielhilfe dient eine Visierrinne.
Mann 1924 Abdeckblech Rückseite
Rückseite des Abdeckblechs. Der schmale Wulst dient dazu, dass die Schließfeder das Blech immer wieder mit nach hinten führt.
Mann 1924 Magazin
Das Magazin hat vier Sichtlöcher in einer Reihe.
Mann 1924 Magazin Unterseite
Die Unterseite des Magazins zeigt das zugehörige Kaliber.
Mann 1924 Griffschale Vorderseite
Die Griffschale mit dem Mann Emblem.
Mann 1924 Rückseite Griffschale
Rückseite des Magazins mit dem Befestigungshebel. Sogar die Griffschale ist mit der Seriennummer beschriftet.
Mann Modell 1924 Anleitung
Deckblatt der Anleitung. Leider gelocht...
Mann Modell 1924 Anleitung
Mann Modell 1924 Anleitung
Mann Modell 1924 Anleitung
Die Vorzüge der Mann Pistole.
Mann Modell 1924 Anleitung
... und noch mehr Vorzüge.
Mann Modell 1924
Vorzüge der neuen Patrone 6,33 mm Mann.
Mann Modell 1924 Anleitung
Technische Daten und Leistung der unterschiedlichen Kaliber.
Mann Modell 1924 Anleitung
Teileliste und Explosionszeichnung.
Mann Modell 1924 Anleitung
Laden- und Entladen.
Mann Modell 1924 Anleitung
Zerlegeanleitung
Mann Modell 1924 Anleitung
Warenzeichen und Kunst der 1920er. Offenbar waren auch Damen eine Zielgruppe der Firma Mann.
19241024 Werbeanzeige Mann_1
Weitere Werbeanzeige vom 24. Oktober 1924.