Albert Föhrenbach, Kleinkaliber-Taschenpistole
Wer die Kleinkaliber-Taschenpistole der Albert Föhrenbach GmbH in die Hand nimmt, der erkennt unweigerlich eine starke Ähnlichkeit mit den Pistolen von Franz Stock. Föhrenbach dürfte Kennern vor allem wegen qualitativ ansprechender Luftgewehre und Luftpistolen sowie Kleinkaliberbüchsen aus den 1950er Jahren bekannt sein, die unter dem Handelsnahmen „Falke“ vertrieben wurden. Albert Föhrenbach wurde 1907 in Mahlberg, Baden, geboren und arbeitete während des Zweiten Weltkriegs bei der Arado Flugzeugwerke GmbH, die in Bennigsen bei Hannover ein Zweigwerk unterhielt. Nach dem Krieg wurde das Gelände der Arado Werke durch die Briten besetzt und als Versorgungsdepot genutzt. Vermutlich aufgrund guter Kontakte zu den Besatzungstruppen konnte Föhrenbach bereits 1945 auf Teilen des Geländes wieder eine Metall- und Haushaltswarenproduktion aufbauen. 1947 kaufte er das Gelände und firmierte fortan unter „Albert Föhrenbach GmbH“. Ebenfalls 1947 erhielt er die Genehmigung zur Produktion von Luftdruckwaffen und – wenige Jahre später – auch Kleinkaliberwaffen. Innerhalb kürzester Zeit baute Föhrenbach ein beeindruckendes Unternehmen mit rund 300 Mitarbeitern auf, das aber weiterhin – neben Waffen – auch Metallwaren und Geräte, u.a. auch für die neugegründete Bundeswehr produzierte. Bezeichnend für dieses Engagement sind die beiden Patente, die Föhrenbach 1951 für eine Luftpistole und 1956 für eine Minensuchnadel erhielt. Doch Föhrenbachs Engagement fand ein jähes Ende. Ein Herzinfarkt 1957 machte eine weitere Mitarbeit im Unternehmen unmöglich. Es folgten 1959 die Insolvenz und das Ende der Produktion. Albert Föhrenbach starb schließlich 1966 mit 59 Jahren.
Die Produktionszeit der gezeigten Falke-Pistole lässt sich recht gut anhand der Beschusszeichen eingrenzen. 1953 wurde eine Beschussnebenstelle in Hannover eingerichtet, die zunächst bis zum 21. April 1955 einzig zum Beschuss von Kleinkaliber- und Flobertwaffen zugelassen war. Als Beschussmarke nutzte Hannover den „Bundesadler mit N“ sowie das niedersächsische springende Pferd. Die Falke Pistole zeigt ebensolche Beschussmarken, sodass die Pistole zwischen 1953 und dem Konkurs 1959 gefertigt sein muss.
Da die Pistole eine nahezu 1:1 Kopie der Stock Scheibenpistole mit auf Taschenpistolen-Format gekürztem Lauf ist, lohnt zunächst ein kurzer Exkurs zu den Stock-Pistolen.
Stock-Pistolen
Franz Stock hatte eine Reihe von Taschenpistolen im Kaliber 7,65mm Browning und 6,35mm Browning herausgebracht. Diese basierten auf den Patenten von Walter Decker aus Zella St. Blasii (DRP 303268, DRP 304279), die bereits 1915 anerkannt und 1919 bzw. 1920 ausgegeben wurden. Prinzipiell handelt es sich um Pistolen mit festen Lauf und um den Lauf herum angeordneter Schließfeder, bei denen der Verschlussblock durch einen Haken am Ende des Ausziehers gehalten wird. Franz Stock veränderte gegenüber den Decker-Patenten lediglich den Magazinhalter, wofür er ein eigenes Patent (DRP 318549) anmeldete, das 1920 erteilt wurde. 1921 brachte Stock zunächst eine Pistole im Kaliber 7,65 mm Browning auf den Markt. 1923 folgte ein Modell in 6,35 mm Browning. 1924 führte Stock eine Kleinkaliber Sportpistole mit 190 mm langem Lauf ein, die als erste deutsche Sportpistole überaus erfolgreich war. 1925 wurde eine Variante dieser Sportpistole mit 10 cm Lauf als „Übungspistole“ angeboten. Die Pistole entspreche „in Länge, Gewicht und Grifflage exakt der Pistole Stock 7,65 mm“, so der bekannte Autor Gerhard Bock in der Zeitschrift „Kugel und Schrot“ vom 15. März 1925. Er habe mit der Pistole hervorragende Ergebnisse erzielt, so Bock.
Beworben wurde die Pistole bis in die 1930er Jahre vor allem wegen der „billigen Munition“ gegenüber der 7,65 mm Browning, die ein kostengünstiges Trainieren ermöglichen sollte. Doch bereits im Mai 1925 hatte bei „Kugel und Schrot“ lesen können, dass die Pistole mit 10 cm-Lauf nur noch auf besondere Bestellung gefertigt werde. Sonderlich erfolgreich scheint die Übungspistole demnach nicht gewesen zu sein und so gehört die kurze .22er Pistole tatsächlich zu den am seltensten anzutreffenden Stock Taschenpistolen.
Die Falke-Pistole
Die Falke Pistole ist sehr wertig gearbeitet und streichbrüniert. Sie ist 169 mm lang und wiegt 720g. Das matt vernickelte Magazin hat einen Magazinschuh und fasst acht Patronen, die sich allerdings sehr schwer einführen lassen, da eine Ladehilfe fehlt. Im Gegensatz zu den großkalibrigen Stock-Pistolen ist bei der Kleinkaliberpistole die Schließfeder unter dem Lauf angeordnet und in einem eigenen Gehäuse geführt. Der 10 cm lange Lauf hat sechs Züge und Rechtsdrall. Die Griffschalen sind aus geschwärztem Metall (vmtl. Aluminium oder Zink-Druckguss), möglicherweise eine Hommage an die Flugzeugteilefertigung bei Arado.
Damit entspricht die Falke-Pistole nahezu 1:1 der 1. Variante der .22lfb Stock Übungspistole. Unterschiede liegen lediglich in der Zahl der Patronen im Magazin (8 Stück vs. 9 Stück), der Form des Korns, der Länge des Verschlussfedergehäuses sowie den Griffschalen. Zudem ist keine Magazinsicherung vorhanden. Auch liegt das das Gewicht der Pistole um rund 70 g höher im Vergleich zur Stock-Pistole in 7,65 mm Browning.
Die Zerlegung erfolgt, wie bei den Stock Pistolen, indem zunächst der Schlitten mittels des Sicherungshebels hinten arretiert wird. Nun wird der oben auf dem Verschlussblock gelegene Zerlegehebel angeboben, was den Block freigibt, sodass er von hinten nach vorne aus dem Schlitten geschoben werden kann. Dann wird der Schlitten nach vorne abgehoben. Kurioserweise ist bei der mir vorliegenden Pistole hierfür jedoch zunächst noch das Korn zu entfernen, da aufgrund der Höhe des Korns der Lauf nicht aus dem Schlitten herausgefädelt werden kann.
Mehr als 30 Jahre nach Einführung der Stock-Pistolen stand es Albert Föhrenbach natürlich frei, eine der ursprünglichen Stock-Pistole nahezu baugleiche Pistole herauszubringen und sich bei den Decker-Patenten zu bedienen. Aus der Seriennummer der Pistole lässt sich sicher nicht die tatsächliche Produktionsmenge ablesen. Möglicherweise wurde sie gemeinsam mit anderen Falke Waffen nummeriert. Irreführend ist die Beschriftung mit der Kaliberbezeichnung .22 long, wobei es sich eindeutig um eine Pistole im Kaliber .22 lfb handelt. Möglicherweise zielte Föhrenbach auf die englische Bezeichnung „.22 long rifle“ ab.
Die Pistole ist sehr sauber gearbeitet. Ob allerdings hierfür eine entsprechende Produktion eingerichtet wurde ist fraglich. Möglicherweise wurde die Pistole als Studie aus Alt-Teilen oder einer weissfertigen Stock-Pistole gefertigt. Jedenfalls sind keine weiteren Belegstücke bekannt. Damit teilte die Falke-Pistole das Schicksal ihres Vorbildes von 1925. Denn während die Stock-Scheibenpistole mit dem 190 mm Lauf sehr erfolgreich war, konnte die angepriesene Munitionskostenersparnis der .22 lfb-Übungspistole gegenüber der Stock-Taschenpistole in 7,65 mm Browning die Käufer wahrscheinlich nicht wirklich überzeugen. Interessant zu wissen wäre, welchen Käuferkreis in der neuen Bundesrepublik Föhrenbach im Sinn hatte. Denn aufgrund der sonstigen Ausrichtung des Unternehmens dürfte sich Föhrenbach vermutlich primär auf den Freizeitmarkt konzentriert haben. Aufgrund der sich noch entwickelnden Waffengesetzgebung, dürfte der Kundenkreis für eine solche Pistole deshalb recht gering gewesen sein.
Mein Dank gilt dem Sammlerkollegen Friedrich Müller, der seine früheren Recherchen zu Föhrenbach zur Verfügung gestellt hat.
Höhe | 122 mm | Kaliber | .22 lfb | Stückzahl | unbekannt |
Breite | 23 mm | Gewicht | 720 g | Seriennummernbereich | um 40.000 |
Länge | 169 mm | Magazinkapazität | 8 Patronen | ||
Lauflänge | 100 mm | Bauzeit | 1953-1956 |
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