Clement Selbstladepistolen Modelle 1902, 1903, 1907, 1908, 1909, 1912 und 1914


Vorbemerkung: Dieser Artikel basiert auf ausführlichen Recherchen zu Cléments Selbstladepistolen von Ed Buffaloe, Bill Chase, Dr. Dirk Ziesing und mir. Die umfassenden Ergebnisse wurden in englischer Sprache veröffentlicht und können unter https://unblinkingeye.com/Guns/Clement/clement.html abgerufen werden. Ebenso erschien ein verkürzter Artikel in deutscher Sprache im VdW Waffenfreund. Dieser Artikel basiert auf der im VdW erschienenen Veröffentlichung. Besonderer Dank gilt dem US-Sammlerkollegen Bill Chase für die Bereitstellung einiger Bilder.



Charles Philibert Joseph Clément wurde am 16. Mai 1846 in Dour, Belgien, geboren und starb am 13. Mai 1913 in Lüttich. Er war zunächst vor allem für seine Revolver, Flinten und Büchsen bekannt. Doch ein verheerender Brand seiner Fabrik in Lüttich 1902 war vermutlich der Auslöser dafür, dass sich Clément fortan dem zukunftsträchtigen Feld der Selbstladepistolen widmete. Denn noch im Oktober des Jahres kaufte er die Rechte an einer Selbstladepistole, die Julien Warnant-Creon konstruiert hatte.

Cléments Vertrag mit Warnant sicherte ihm das Recht zu, gleichlautende Auslandspatente anzumelden, was Clément auch tat. Zudem wurden jegliche Verbesserungen an der Konstruktion automatisch und kostenfrei Cléments Eigentum. Warnant garantierte außerdem, dass er für 20 Jahre keine Waffe konstruieren oder herstellen würde, die eine Konkurrenz zu Cléments Selbstladepistole darstellen könnte.


Modell 1902

Warnants-Creons Patent (Belgien, Nr. 165988) war ursprünglich für eine Waffe in 7,65 mm Browning ausgelegt. Wir haben drei Waffen ausmachen können, die diesem ersten Entwurf entsprechen. Nr. 143 befindet sich im Besitz der British Royal Armouries, Nr. 332 in der Privatsammlung von Bill Chase und die dritte Waffe ist in Jaroslav Lugs Handfeuerwaffen abgebildet. Alle bekannten Waffen sind auf der linken Seite wie folgt gekennzeichnet:


FABRIQUE D’ARMES C. CLEMENT. LIEGE BREVETE S.G.D.G.


Nr. 332 weist an der hinteren Querverschraubung starke Deformationen auf. Die Konstruktion ist wegen des relativ leichten Verschlusses und der zu schwachen Verschlussfeder den Rückstoßkräften nicht gewachsen. Vermutlich wurden deshalb nur wenige gefertigt.

Modell 1902 - Sammlung Bill Chase

Portrait Charles Clément


Modell 1903

Aus den Erfahrungen des Modells 1902 heraus entschied sich Clément zunächst für eine schwächere Patrone als die 7,65mm Browning. Die Wahl fiel auf die 5mm Charola y Anitua, die bereits seit 1897 auf den Markt war und später als 5mm Clément bekannt wurde. Die Produktion begann vermutlich in der zweiten Hälfte des Jahres 1903. Mir wurde jedoch jüngst eine Pistole mit Seriennummer 567 im Kaliber 7,65 mm Browning bekannt, die belegt, dass wohl auch ein Übergangsmodell noch im alten Kaliber 7,65 mm Browning fertigte, bevor er auf die 5mm Clément umstellte.

Clément nahm im Laufe der Produktion einige konstruktive Verbesserungen vor, insbesondere in der Ausformung des Widerlagers. Frühe 1903 Modelle weisen noch eine kurze Verschlussfeder auf, die auf Höhe des Patronenlagers endet. Aber auch mit der schwächeren Patrone kam es zu Schäden, wie bereits beim Modell 1902. Wir gehen von etwa 1.500 Stück dieser frühen Variante aus. Dann ab 1905 verpasste Clement der Waffe eine längere Verschlussfeder. Die früheste uns bekannte Waffe trägt die Seriennummer 1677.

Frühe Waffen tragen die Beschriftung des Modells 1902. Zwischen Seriennummer 2.200 und 2.400 änderte Clément diese auf:


- AUTOMATIC PISTOL CLEMENT’S PATENT -

Auf dem Rahmen:


CHARLES PH. CLEMENT
LIÈGE


Die Griffschalen bestehen aus Hartgummi mit einem verschlungenen CC-Logo. Vom Modell 1903 sind einige Varianten und Subvarianten bekannt, deren Darstellung hier den Rahmen sprengen würde. Ich empfehle hierzu einen Blick in den in der Vorbemerkung genannten englischen Artikel.


Im Juli 1906 erschien die FN 1906 im Kaliber 6,35 mm Browning und war damit die erste ernstzunehmende Konkurrenz für Clément. Erste Werbeanzeigen für die Clément-Selbstladepistole sind uns aus dem Oktober 1906 bekannt, noch im Kaliber 5 mm. Offensichtlich erkannte Clément das Potential der 6,35 mm-Patrone, denn bereits im April 1907 bewarb er seine Waffe im Browning-Kaliber. Seriennummer 8776 hat noch das Clément-Kaliber, während Nummer 8831 bereits das neue Kaliber aufweist.

Einige späte 5 mm-Pistolen (Nrn. 7786 und 8138), vertrieben durch die Firma Manufrance, sind oben auf dem Gehäuse wie folgt beschriftet:


MANUFACTURE FRANÇAISE D’ARMES ET CYCLES-SAINT-ETIENNE.


Zwischen 1905 und 1907 dürften rund 7.000 Pistolen im 5 mm-Kaliber und rund 2.300 in 6,35 mm Browning entstanden sein, bevor Clément auf das Modell 1907 umstellte.


Model 1907

Mit dem Patent 193924 gestaltete Clément den Verschluss seiner Konstruktion um. Während das Modell 1903 ein Schlagbolzenschloss aufwies, hatte die neue Waffe einen innenliegenden Schlaghahn. Das machte auch Veränderungen am Abzugsmechanismus nötig (Patent 194518) und das Modell 1907 erhielt einen neuen Auszieher (Patent 199496).
Das Modell 1907 wurde im Kaliber 6,35 mm Browning und 7,65 mm Browning angeboten, wobei die 7,65 mm-Variante etwas größer war. Erste Werbeanzeigen für die 1907 finden sich im Waffenschmied vom 10. Juli 1907. In Verbindung mit den Patenten dürften die ersten Waffen Mitte 1907 entstanden sein. Die niedrigste uns bekannte Seriennummer ist 545, die höchste 7436. Waffen in 7,65 mm finden sich erst ab Seriennummer 5000.

Auf der linken Seite unter den Spannrillen steht:
- AUTOMATIC PISTOL CLEMENT’S PATENT –


Insgesamt finden sich drei technisch leicht unterschiedliche Varianten. Die erste Variante (bis etwa Seriennummer 2000 in 6,35 mm und Nummer 7300 bei den 7,65 mm-Pistolen) weist konvexe Spannrillen auf, der Magazinauslöser befindet sich als kleiner Hebel auf dem Griffrücken. Die zweite Variante hat gerade Spannrillen. Mit dem Patent 202749 verlegte Clément den Magazinauslöser auf die linke Seite. Diese, nun dritte, Variante findet sich ab Seriennummer 4000 bei den 6,35 mm-Pistolen. Derartige Pistolen im Kaliber 7,65 mm sind nicht bekannt.
Demnach dürften rund 7.200 Pistolen des Modells 1907 entstanden sein, bevor bereits nach gut einem Jahr das Modell 1908 folgte.


Modell 1908

Das Modell 1908 wurde nur in 6,35 mm Browning produziert. Wesentlicher Unterschied zum Modell 1907 ist der Griffrücken, der nun als eigenständiges Bauteil die Schlagfeder und eine Feder für den Sicherungshebel enthält. Auch wurde die Griffgestaltung etwas ergonomischer. Die niedrigste bekannte Seriennummer ist 7037, vermutlich kam es also zu Überlappungen mit dem vorherigen Modell. Die höchste bekannte Seriennummer ist 10960. Vermutlich wurde also die Produktion des Modells 1907 in 7,65 mm noch einige Zeit fortgeführt, während bereits die Fertigung des Modells 1908 im gleichen Seriennummernbereich anlief.

Auf der linken Seite des Gehäuseoberteils steht:


- AUTOMATIC PISTOL CLEMENT’S PATENT -


Es dürften rund 3.300 Pistolen entstanden sein, bevor Clément im Jahr 1909 ein neues Modell herausbrachte. Interessant ist, dass noch bis Ende 1909 beide Modelle, also 1908 und 1909, parallel angeboten wurden, was eine Anzeige aus dem Waffenschmied vom 25. Dezember 1909 beweist.

Werbeanzeige aus Der Waffenschmied vom 10. Oktober 1907

Werbeanzeige Der Waffenschmied vom Dezember 1909. Modell 1908 und 1909 werden parallel beworben. 


Model 1909

Während frühere Modelle zum einfachen Zerlegen zur Reinigung noch einen Schraubendreher benötigten, kommt das Modell 1909 ohne Werkzeug aus – eine Eigenschaft, die sich Clément mit dem Patent 212168 absichern ließ. Zwar zieht Clément im Text des Patents noch Verbindungen zum Modell 1907, eigentlich handelt es sich aber um eine weitgehend neue Konstruktion. Lauf und oberes Systemgehäuse sind nun ein Teil und über eine Schraube mit dem Griffstück und über einen zentralen Bolzen hinten mit dem Griffstück verbunden. Der Abzugsbügel ist klappbar und gibt in der unteren ausgeklappten Position Systemgehäuse und Lauf frei. Das Schlagfedergehäuse kann über einen kleinen Hebel an der linken Griffschale ausgehakt werden und lässt sich dann nach oben klappen (beginnend ab etwa Seriennummer 8900).


Die Beschriftung 


- AUTOMATIC PISTOL CLEMENT’S PATENT –


findet sich nun auf der Oberseite des Systemgehäuses.


Bei frühen Pistolen sind die seitlichen Flanken des Verschlusses zunächst geriffelt, dann mit senkrechten Griffrillen versehen und etwa ab Seriennummer 35800 wieder geriffelt. Der ALFA-Katalog von 1911 listet als Ausstattungsoption eine Vernickelung und Perlmuttgriffschalen. Eine Waffe in dieser Ausführung ist bekannt. Im Seriennummernbereich 35000 bis 37000 sind zudem fünf Pistolen mit langem Lauf für den österreichisch-ungarischen Markt bekannt. Aufgrund der vorliegenden Seriennummern gehen wir von rund 70 Prozent der Waffen im Kaliber 6,35 mm Browning und 30 Prozent im Kaliber 7,65 mm Browning aus.


Modell 1912

Mit dem Modell 1912 beschritt Clément neue Wege und löste sich weitgehend vom ursprünglichen Design der Vorgängermodelle. Das Patent 243839 vom März 1912 beschreibt eine Waffe mit einer Verschlussfeder unterhalb des Laufs und Schlagbolzenschloss. Eine Besonderheit ist die Laufverriegelung an der Vorderseite des Griffstücks. Insgesamt finden sich drei Varianten des Modells 1912. Die erste Variante in 7,65 mm Browning lässt sich leicht an der gefrästen Rinne auf beiden Seiten des Griffstücks erkennen.


Die seitliche Beschriftung links lautet:

MODELE 1912. BREVET 243839

--LIEGE--ACIER GARANTI--


Drei dieser Waffen mit den Seriennummern 12077, 12800 und 13031 sind bekannt.

 

Mit Patent 249442 verbesserte Clément die Verriegelung des Laufes vorne am Griffstück, der nun mittels eines Knopfes oder Hebels gelöst werden kann. Die sich hieraus ergebende zweite Variante im Kaliber 6,35 mm Browning hat starke Ähnlichkeit mit der von der spanischen Firma F. Arizmendi y Goenaga produzierten Walman-Pistole. Anstatt eines Hebels oder Druckknopfes haben einige Waffen jedoch einfache Schraube, um den Lauf vorne zu verriegeln. Ebenso finden sich Pistolen mit dem Druckknopf nach Patent 249442 (siehe Bildergalerie). Der Magazinhalter wanderte von der Unterseite auf die linke Seite. Die Beschriftung bleibt identisch zur ersten Variante, allerdings finden sich auch Waffen, die auf der linken Schlittenseite mit „Fulgor“ bzw. „Enigma“ und darunter ACIER GARANTI bezeichnet sind. Die früheste bekannte Seriennummer ist 36403, die höchste 38341.

 

Eine dritte Variante ist äußerlich identisch zur ersten Variante des Modell 1912, nun aber im Kaliber 6,35 mm Browning, mit etwas kleineren Abmessungen. Die Beschriftung ist analog zu den anderen Varianten und auch hier finden sich Waffen mit „Fulgor“. Die früheste bekannte Waffe trägt die Seriennummer 40780, die höchste 45080.

Die Zahl der Belegstücke ist im Vergleich zu den früheren Clément-Pistolen eher gering. Basierend auf den uns bekannten Seriennummern könnten so – vorsichtig geschätzt – rund 5.000 Stück des Modells 1912 entstanden sein. Mit dem Tod von Charles Clément im Mai 1913 fand die Produktion dann zunächst ein jähes Ende. Möglich ist, dass ein langjähriger Geschäftspartner Neumann Fréres die Clément Produktionsanlagen in der 39 Rue Chéri übernahm. Zumindest bezeichnet eine Werbeanzeige aus den 1920ern Neumann Fréres als Nachfolger Cléments.


Modell 1914

Cléments Witwe Josephine reichte noch im Dezember 1913 zusammen mit Victor Loiselet ein weiteres Patent ein (Nr. 263467), diesmal mit einem unter dem Lauf liegenden Löseknopf, sowie im Januar 1914 ein Patent (Nr. 264039) für eine Magazinsicherung.

Die daraus resultierende Waffe ist vermutlich nicht über den Prototypstatus herausgekommen. Es sind zwei Waffen bekannt, Seriennummer 6 und 13, beide im Kaliber 9 mm Browning lang, die sich in Privatsammlungen in den USA befinden. Der Griffrücken hat eine Ausnehmung zur Montage eines Anschlagschafts, der bei Seriennummer 13 noch vorhanden ist. Möglicherweise zielte diese Entwicklung auf eine militärische Verwendung ab, auch wegen Loiselots Verbindungen zum Militär. Da aber keine Erprobung dieses Modells bekannt ist, dürfte spätestens mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs das Schicksal des Modells 1914 besiegelt gewesen sein.

Abmessungen:

Modell

Länge

Höhe

Gewicht

Kaliber

Magazinkapazität

1902

171 mm

114 mm

670 g

7,65 mm Browning

7

1903

134 mm

102 mm

440 g

5 mm Clément,

6,35 mm Browning

7

1907

119 mm

150 mm

105 mm

119 mm

395 g

600 g

6,35 mm Browning

7,65 mm Browning

6

1908

117 mm

90 mm

400 g

6,35 mm Browning

6

1909

119 mm

85 mm

360 g

6,35 mm Browning

6

1912

117 mm

64 mm

330 g

6,35 mm Browning

6

1914

292 mm

120 mm

             unbekannt

9 mm Browning long

7

Clement Modell 1902
Clement Modell 1902
Clement Modell 1902 im Kaliber 7,65 mm Browning, Sammlung Bill Chase
Clement Modell 1903
Clement Modell 1903
Modell 1903 im Kaliber 5mm Clement, Sammlung Bill Chase
Verschlussfedern Modell 1903
Verschlussfedern Modell 1903
Vergleich der Verschlussfedern des Modells 1903.
Vergleich 5mm Clément und 6,35 mm Browning
Vergleich 5mm Clément und 6,35 mm Browning
Vergleich der beiden Patronen 5mm Clément (l.) und 6,35 mm Browning (r.)
Clément Modell 1907
Clément Modell 1907
Späte Variante des Modells 1907 im Kaliber 7,65 mm Browning, Sammlung Bill Chase.
Clément Modell 1908
Clément Modell 1908
Frühes Modell 1908 im Kaliber 7,65 mm Browning.
Clément Modell 1909
Clément Modell 1909
Hier das Modell 1909 im Kaliber 6,35 mm Browning.
Clément Modell 1909
Clément Modell 1909
Spätes Modell 1909, Sammlung Bill Chase
Clément Modell 1912
Clément Modell 1912
Zweite Variante des Modells 1912 im Kaliber 7,65 mm Browning, Sammlung Bill Chase.
Clement Modell 1912
Clement Modell 1912
2. Variante des Modell 1912, diesmal in 6,35 mm Browning, im Übergang zur 3. Variante.
Clement 1912
Clement 1912
Ebenfalls eine späte 3. Variante des Modells 1912 mit veränderter Schlittenkontour.
Clément Modell 1914
Clément Modell 1914
Modell 1914 im Kaliber 9mm Browning lang, Sammlung Bill Chase