Heinrich Ortgies und Deutsche Werke AG, Modell Ortgies


Heinrich Ortgies wurde um 1870 in Jever, Niedersachsen, als Sohn eines friesischen Bauern geboren und starb im März 1937. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges lebte er in Lüttich, Belgien und arbeitete vermutlich als Händler oder Handelsvertreter in der Waffenbranche. Das Patent für die Ortgies Pistole kaufte er von Karl August Brauning, der zu dieser Zeit bei Fabrique Nationale tätig war, und gründete seine Firma Ortgies & Co in Erfurt vermutlich um 1919. Erste Werbeanzeigen für die Orgies finden sich im Februar 1920. Der anfängliche Erfolg der Pistolen erregte die Aufmerksamkeit der Deutsche Werke AG, die dann bereits im Frühjahr 1921 sämtliche Rechte und Produktionsanlagen von Ortgies erwarb.

Von Beginn an war die Ortgies Pistole für die Kaliber 6,35 mm Browning, 7,65 mm Browning und 9 mm kurz geplant und wurde bereits Mitte 1920 in den beiden letzteren Kalibern beworben. Die 6,35 mm Variante sollte später erscheinen. Heinrich Ortgies selbst hat wohl etwa 16.000 der 7,65 mm Pistolen hergestellt, bevor er an die Deutsche Werke AG verkaufte. Die Herausforderung zu dieser Zeit war, dass die alliierte Kontrollkommission argwöhnisch auf Waffen im "Kriegskaliber" 9 mm schielte und aufgrund der hohen Produktionszahlen der Deutsche Werke AG hier sehr schnell einen Riegel vorschob. Denn bereits im November 1921 wurde die weitere Produktion untersagt und das Verbot letztendlich auf den April 1922 terminiert. Die tatsächliche Produktion endete aber wohl erst im September 1923. Bis dahin hatte die Deutsche Werke AG bereits rund 263.000 Ortgies in 7,65 mm und 9 mm sowie rund 183.000 Pistolen in 6,35 mm Browning produziert.


Technisch interessant ist die Pistole vor allem deshalb, weil Ortgies auf jegliche Schrauben verzichtete. Die Pistole hat eine Drucksicherung im Griffrücken, per se nichts Besonderes, und doch in ihrer Art neu. Denn die Handballensicherung aktiviert sich nicht wieder automatisch beim Loslassen des Griffstücks, sondern muss erst durch Drücken eines Sperrknopfs gelöst werden. Zudem besitzen frühe Ortgies einen Ladestandsanzeiger, bei dem mit einer Patrone im Patronenlager das Verschlusstück rund einen Millimeter über das Griffstück herausragt.

Insgesamt besticht die Pistole durch ihre gefällige abgerundete und geschlossene Form. Eine Besonderheit ist die leichte Entnahme des Laufs und die Laufwechselmöglichkeit zwischen 7,65 mm und 9 mm Waffen. Der Lauf greift mit einem Zapfen in ein Lager im Griffstück ein und wird dort durch eine Drehung um 90° verriegelt. Zapfen und Zapfenlager sind dabei absolut spielfrei.

Technisch unterscheiden sich die Ortgies Pistolen in den verschiedenen Kalibern nicht. Bei einer Länge von 159 mm, Höhe von 106 mm und Breite von 25 mm wiegen die Pistolen 615 g (7,65 mm Browning) bzw. 600 g (9 mm kurz). Die 6,35 mm Pistolen sind etwas kleiner und wiegen 390 g bei 129 mm Länge, 87 mm Höhe und 20 mm Breite.

Erwähnenswert sind lediglich noch die für Sicherheitskräfte angeboteten Pistolen in 7,65 mm Browning und 9 mm kurz, die mit einer zusätzlichen Druckknopfsicherung auf der linken Seite, oberhalb der Griffschale, ausgestattet sind. Diese Sicherung hält den Verschluss fest und blockiert zusätzlich die Handballensicherung. Zudem sind die Griffschalen dieser Varianten mit einer Schaube gesichert.


Beschriftungsvarianten

Beschriftung

Seriennummernbereich

ORTGIES & Co - ERFURT
ORTGIES’ PATENT

1 - 2850 (7,65 mm und 9 mm)

Ortgies & Co - Erfurt
Ortgies’ Patent

2850 - 15921 (7,65 mm und 9 mm)

Ortgies’ Patent
Deutsche Werke Aktiengesellschaft Berlin

oder

Ortgies-Patent
Deutsche Werke Aktiengesellschaft Berlin

15922 - 37080 (7,65 mm und 9 mm)




Ortgies’ Patent.
Deutsche Werke Aktiengesellschaft,
Werk Erfurt.

29000 - 56500 (7,65 mm und 9 mm)

1 - 6000 (6,35 mm)

DEUTSCHE WERKE AKTIENGESELLSCHAFT - WERK ERFURT
ORTGIES’ PATENT

oder

DEUTSCHE WERKE AKTIENGESELLSCHAFT - WERK ERFURT
ORTGIES’ PATENT

56500 - 92600 (7,65 mm und 9 mm)

5500 - 47861 (6,35 mm)



DEUTSCHE WERKE               WERK ERFURT

z.T. auf rechter Seite

ORTGIES’ PATENT

oder

ORTGIES’ PATENT

D.W.A.E.

92600 - 265000 (7,65 mm und 9 mm)

7862 - 186000 (6,35 mm)



32800- 59000 (6,35 mm, vereinzelt)

81042 und 117810 (7,65 mm, bislang nur zwei Waffen bekannt)

Ortgies 7,65 mm Browning
Ortgies 7,65 mm Browning
Sehr frühe Ortgies im Kaliber 7,65 mm Browning in erster Beschriftungsvariante.
Ortgies 7,65 mm Browning Zusatzsicherung
Ortgies 7,65 mm Browning Zusatzsicherung
Eine für tschechoslowakische Sicherheitskräfte hergestellte Ortgies im Kaliber 7,65 mm Browning mit Zusatzsicherung. Dritte Beschriftungsvariante.
Ortgies 7,65 mm Browning
Ortgies 7,65 mm Browning
Ortgies Pistole im Kaliber 7,65 mm Browning. Wir sehen hier die dreizeilige, vierte Beschriftungsvariante
Ortgies 9mm kurz mit Zusatzsicherung
Ortgies 9mm kurz mit Zusatzsicherung
Ortgies Pistole im Kaliber 9 mm kurz mit Zusatzsicherung. Fünfte Beschriftungsvariante.
Ortgies 6,35 mm Browning
Ortgies 6,35 mm Browning
Vernickelte Ausführung einer Ortgies im Kaliber 6,35 mm Browning mit sechster und letzter Beschriftungsvariante.
Ortgies 6,35 mm Browning
Ortgies 6,35 mm Browning
Ortgies im Kaliber 6,35 mm Browning mit seltener D.W.A.E. Beschriftung.
Ortgies späte 6,35 mmBrowning
Ortgies späte 6,35 mmBrowning
Späte Ortgies
Ortgies Schachtel
Ortgies Schachtel
Standarddesign der Ortgies Schachteln, hier für eine 6,35 mm Pistole