Walter Diefke, Taschenpistole Kobra im Kaliber 6,35 mm Browning
Wenn eine Kobra bedroht wird, stellt sie den Oberkörper auf, beißt blitzschnell zu oder speit ihr Gift über einige Meter Entfernung mit tödlicher Präzision.
Vielleicht waren es diese Eigenschaften, die den Büchsenmacher Walter Diefke im Jahr 1934 dazu bewogen, seine neue 6,35 mm Browning Taschenpistole nach der wehrhaften Giftschlange zu benennen.
Walter Diefke sollte zumindest Sammlern von Gas-und Schreckschusspistolen ein Begriff sein, denn mit seiner Firma Diemuni (Diefke Munition), später dann Wadie (Walter Diefke), konzentrierte sich der Büchsenmacher seit den 1950er Jahren auf die Fertigung eben dieser von Gas- und Schreckschusswaffen. Bis heute produziert die Munitionsfabrik DIEFKE WADIE MUNITION GmbH & Co. KG Reizstoffmunition und vertreibt Abwehrmittel. Doch Diefkes Vorkriegsengagement ist relativ unbekannt. Umso mehr lohnt ein Blick auf die Kobra Pistole.
Patentzeichnung des DRP 597020 von August Schüler
Patente und Technik
Wer nach Patenten von Walter Diefke sucht, der findet nur eine kurze Liste: 1922 ein Tesching mit Geradezugverschluss (DRP365338) und 1954 eine Platzpatrone (DE1699603). Die letzte Erfindung deutet auf Diefkes Nachkriegs-Engagement hin. Eine Taschenpistole jedenfalls sucht man vergebens.
Für die Kobra Pistole bediente sich Diefke eines Patents von Friedrich Schüler (DRP 597020), bekanntgemacht am 26. April 1934. Bemerkenswert an der Konstruktion ist, dass der gesamte Schlossmechanismus in einem separaten Gehäuse unterbracht ist. Das Griffstück ist auf der Rückseite nach unten offen (siehe Patentzeichnung). Das Schlossgehäuse ist mittels zweier Drehzapfen (b1) oben in das Griffstück eingehängt. Am unteren Ende des Schlossgehäuses befindet sich ein Knebel (f), der mit der Schlagfederhülse (e2) verbunden ist. Darüber steht der Knebel unter Spannung der Schlagfeder (e1) und kann gegen die Feder nach unten aus dem Schlossgehäuse gezogen werden. An der Unterseite des Griffstücks befinden sich zwei Ausnehmungen, in die der Knebel eingreift. Das Schlossgehäuse wird in den Drehzapfen oben eingehängt und mittels des Knebels im Griffstück verspannt. Gleichzeitig laufen die beiden Enden der Drehzapfen in den innenliegenden Längsnuten des Schlittens und halten ihn somit senkrecht zur Verschlusslaufrichtung.
Dem von Revolvern bekannten - und damals gefürchteten - Risiko, dass der Hahn infolge Sturz oder Schlag eine anliegende Patrone zündet, begegnete Schüler durch eine "Fallsicherung". Dazu verfügt der Hahn der Kobra über eine Sicherheitsrast, in die er bei geladenem aber entspanntem Zustand gelegt werden kann. Aus dieser Rast kann der Hahn auch nicht über den Abzug ausgelöst werden. Im Bedarfsfall kann der Hahn durch leichten Druck mit dem Daumen gespannt werden, um die Pistole schussfertig zu machen. Im geladenen und gespannten Zustand legt die Drehflügelsicherung den Hahn fest.
Werbeanzeigen zur Kobra Pistole sind mir nur wenige bekannt. In der zweiwöchentlich erscheinenden Zeitschrift „Der Waffenschmied“, dem amtlichen Organ des Reichsverbandes Deutscher Büchsenmacher, Waffen- und Munitionshändler, finden sich 1934 lediglich zwei Hinweise zur Kobra Pistole. Die erste Anzeige stammt vom 14. April 1934, was recht gut mit dem Bekanntmachungsdatum des Patents zusammenpasst (26. April 1934).
Da Diefke vor Markteinführung einen gewissen Grundstock an Pistolen produziert haben dürfte, weisen die Pistolen vor Patenterteilung noch den Hinweis „D.R.P. a.“ (Deutsches Reichspatent angemeldet) auf. Bei späteren Waffen findet man nur noch „D.R.P.“.
Werbeanzeige, Der Waffenschmied vom 14. April 1934
Varianten
Im Pawlas Pistolenatlas finden sich zwei unterschiedliche Ausführungen der Kobra Pistole, die sich leicht an der Riffelung des Hahns, der Länge des Korns, der Riffelung des Sicherungsflügels, sowie der Form des unten aus dem Schlossgehäuse herausstehenden Knebels und der Griffschalen unterscheiden lassen. Belegstücke für die obere abgebildete Waffe konnte ich bislang allerdings nicht finden. Bereits die früheste mir bekannte Kobra mit Seriennummer 813 weist die Merkmale der unteren Waffe auf. Die Fachautoren Klaus-Peter König und Martin Hugo zeigen in ihrem Buch Taschenpistolen zusätzlich eine Pistole mit D.R.P.a. Stempelung und Seriennummer 1426, die an der rechten Griffschale ein angedeutetes Griffmedaillon aufweist.
Die Schlittenbeschriftung auf der linken Seite unterscheidet sich bei allen Varianten also lediglich im Patenthinweis.
KOBRA CAL. 6,35 D.R.P.a.
bzw.
KOBRA CAL. 6,35 D.R.P.
Das Wort „KOBRA“ wird von einer umlaufenden, mitten oben offenen Doppellinie umschlossen, die sich bei näherer Betrachtung als stilisierte Schlange, eine Kobra, entpuppt.
Genaue Produktionszahlen der Kobra sind mir nicht bekannt. In den Jahren meiner Sammeltätigkeit konnte ich nur einige wenige Stücke im Handel ausmachen, keine jenseits der Seriennummer 1826. Wenn man eine durchgehende Nummerierung von null beginnend unterstellt, dürften also rund 2.000 Pistolen entstanden sein, davon rund dreiviertel mit „D.R.P.a.“-Stempelung.
Zerlegen und Zusammensetzen
Die Kobra lässt sich relativ einfach zerlegen. Hierzu muss man den Knebel herausziehen und um 90° verdrehen, sodass er sich aus den Ausnehmungen des Griffstücks löst und auf dem Schlossgehäuse aufliegt. Dann zieht man den Schlitten einige Millimeter so weit zurück, dass die Enden der Drehzapfen aus der Aussparung in den Längsnuten des Schlittens herausgleiten können. In dieser Stellung wird dann das Schlossgehäuse mittels einer Drehbewegung nach hinten oben aus dem Griffstück herausgezogen. In der Theorie ist das einfach. In der Praxis wünscht man sich eine dritte Hand. Die Anleitung empfiehlt, mittels rechter Hand den Schlitten zurückzuziehen, mit der linken Hand das Griffstück in Richtung der Laufmündung zu ziehen und die Brust als Widerlader für den Knebel zu nutzen.
Technische Daten der Kobra Pistole
Varianten der Kobra Pistole nach dem Pawlas Pistolenatlas
Höhe | 78 mm | Kaliber | 6,35 mm Browning |
Breite | 22 mm | Gewicht | 350 g |
Länge | 116 mm | Magazinkapazität | 6 Patronen |
Lauflänge | 59 mm | Griffschalen | Hartgummi |
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