Zeichnung DRP 453654 vom 14. Dezember 1927

Patente und Gebrauchsmuster

Die Westentaschenmodelle schütze Sauer & Sohn mit zwei Patenten und diversen Gebrauchsmustern:

  • DRP 388658, Selbstladepistole, vom 18. Februar 1924

         Die Patentansprüche beziehen sich auf den geteilten Verschluss bestehend aus     

         Verschlusshülse und Verschlussstück. Die Verschlusshülse wird mit Nuten und Warzen 

         auf dem Griffstück geführt und mittels des einzusetzenden Verschlussstücks arretiert.

         Zudem ist die Führungsstange der Schließfeder mit zwei seitlichen Anschlägen versehen,

         sodass ein vollständiges Entspannen der Feder verhindert wird.

  • DRP 453654, Selbstladepistole, vom 14. Dezember 1927

         Die Patentansprüche beziehen sich auf die Befestigung der Verschlusshülse auf dem

         Griffstück mittels einer Nockenhülse. Will man die Pistole zerlegen, so dreht man die die

         unter Federdruck stehende Nockenhülse um 90 Grad und nimmt sie nach hinten hinaus.

         Dadurch wird eine in der Verschlusshülse liegende Ausfräsung frei, über die man sie

         vom Griffstück abnehmen kann. 

  • DRGM 840519 vom 20. Oktober 1920

         Das Gebrauchsmuster steht in engem Zusammenhang mit dem DRP 388658 und schützt

         geringfügige Änderungen am Griffstück und der Abzugsstange.

  • DRGM 840520 und 860630 vom 20. Oktober 1920

         Der Gegenstand dieses Gebrauchsmusters ist unbekannt.

Geschichte der Sauer & Sohn Westentaschenmodelle

Bereits um 1900 hatte Sauer & Sohn mit der Roth-Sauer Pistole, dem Reichsrevolver oder der Bär-Pistole Erfahrung im Kurzwaffenbereich sammeln können. Doch erst 1913 und 1920 präsentierte S&S mit dem Modellen 1913 und 1919 Selbstladepistolen in den mittlerweile für Taschenpistolen gängigen Kalibern 6,35 mm Browning und 7,65 mm Browning. 

Der Markt für Taschenpistolen war jedoch rasch übersättigt und der Trend zu immer kleineren Abmessungen der Waffen hielt an. Walther hatte mit dem Modell 9 ein Optimum gefunden und eine kleine und führige Taschenpistole präsentiert, die den bis dato präsentierten Pistolen den Rang ablief. Und so folgten auch andere Hersteller, u.a. Schmeisser mit dem Modell 2 oder später FN mit der Baby, die dem Modell 9 recht ähnlich waren. Auch Sauer zog 1922 nach und präsentierte um 1923 ein sog. Westentaschenmodell, das aufgrund der Patenterteilung auch gerne WTM 24 genannt wird. Im Jahr 1928 folge eine neue Pistole, das - nun offiziell als WTM 28 bezeichnet - dem Walther Modell 9 zum verwechseln ähnlich sah. Im Jahr 1933 folgte dann mit dem WTM 33 eine erneute Modellüberarbeitung. Die Waffe ist technisch unterschiedlich, nutzt jedoch bspw. die Griffschalen des Modell 28. Das WTM 33 ist die am seltensten anzutreffende Sauer Taschenpistolen und es wurden nur rund 1.800 Stück hergestellt.


Zeichnung DRP 388658 vom 18. Februar 1924

Sauer & Sohn Westentaschenmodelle 24, 28 und 33


Vorbemerkung:

Interessierte Sammler von Sauer & Sohn Pistolen finden hervorragende Informationen in diversen Fachbüchern. U.a. empfehle ich

 J.P.Sauer & Sohn Geschichte der ältesten deutschen Waffenfabrik von Peter Arfmann und Rolf Kallmeyer sowie  J.P. Sauer & Sohn von Jim Cate und Martin Krause. Noch recht neu auf dem Markt ist Manfred Kerstens Sauer & Sohn, Suhl, Kurzwaffen. Die in diesem Artikel verwendeten Informationen entstammen diesen Werken sowie umfangreichen eigenen Recherchen und Patentinformationen. Bereits 2015 veröffentlichte ich hierzu zusammen mit Ed Buffaloe einen Artikel, Sauer & Sohn WTM Pistols, im englischsprachigen Raum.


WTM 28

Das Modell 28 erschien im Jahr 1928, erste Werbeanzeigen dazu finden sich jedoch erst 1929.

Frühe Stücke zeigen Seriennummern um 8140 und deuten darauf hin, dass Sauer & Sohn fortlaufend mit dem WTM 24 nummerierte. Diese erste Version ging bis etwa Seriennummer 15500. Dann erfolgte die Wiederaufnahme mit einer leicht veränderten Version im Bereich 250001, die schlussendlich bei 252500 endete. Der einzige Unterschied der frühen zu den späten WTM 28 ist die Form des Sicherungshebels. Bei frühen Pistolen ist die Grifftaste gerade ausgebildet mit waagerechten Rillen. Späte Waffen haben eine runde Grifftaste mit konzentrischen Ringen. Die Griffschalen sind nunmehr mit einer Schraube befestigt und weisen die Modellbezeichnung 28 auf. Die WTM 28 basiert klar auf dem DRP 453654. Besonderheit ist die Nockenhülse zum Zerlegen der Waffe.

Die Pistole ist etwa 40 g leichter als der Vorgänger. Der Spannanzeiger entfällt, dafür hat die Pistole nun eine Magazinsicherung, die die Abzugsstange blockiert. Die Abzugsstange selbst ist deutlich vereinfacht und wird nun durch eine unter der rechten Griffschake liegende Feder gestützt.

Auf der linken Seite ist die Pistole nun wie folgt beschriftet:

J.P.SAUER & SOHN, SUHL

Rechts auf dem Verschlussstück steht:

CAL.6,35 - D.R.P. 453654

Vom Modell 28 dürften rund 10.000 Pistolen entstanden sein.

Vergleich der drei WTM Modelle, 24, 28 und 33 (v.l.n.r.)

Werbeanzeige Sauer & Sohn, Der Waffenschmied, 14. Dezember 1929. Erstmals wird die WTM 28 erwähnt. Das Bild zeigt jedoch noch eine WTM 24.

Veränderte Abzugsstange der WTM 28, unterstützt duch eine separate Feder. Rechts die Magazinsicherung, ein Federblech, das bei eingesetztem Magazin nach außen gedrückt wird und damit die Abzugsstange freigibt.

WTM 33

Das WTM 33 erschien im Jahr 1933 und die Pistole wurde auch von S&S offiziell so bezeichnet. Gegenüber dem WTM 28 ist der Schlitten nun durchgehend und nicht mehr durchbrochen. Daher hat die Pistole nun ein Auswurffenster. Die Abzugsstange wird - gegenüber dem WTM  28 - nun durch die Magazinhalterfeder und nicht mehr durch eine separate Abzugstangenfeder unterstützt.

Die große Ähnlichkeit zum WTM 28 zeigt sich nicht nur durch den Rückgriff auf Teile des Vorgängers, wie bspw. die Griffschalen mit der Zahl 28 oder das Magazin, sondern auch dadurch, dass S&S sich weiterhin auf den Patentschutz des DRP 453654 beruft.

Auf der linken Seite ist die Pistole nun wie folgt beschriftet:

J.P.SAUER & SOHN, SUHL

Rechts auf dem Verschlussstück steht:

CAL.6,35 - D.R.P. 453654

Seriennummern gehen von 252503 bis etwa 254300, wobei 254255 die höchste mir bekannte Seriennummer ist. Damit dürften nur knapp 1.800 Stück hergestellt worden sein.

Werbeanzeige Der Waffenschmied vom 14. Januar 1936. Beworben wird das Modell 33 hier lediglich als Kaliber 6,35 mm Westentaschen-Modell. In zeitgenössischen Preislisten findet man jedoch auch die Bezeichnung WTM 33.


WTM 24

Mitunter wird das Modell 24 in der Literatur auch als WTM 20 bezeichnet (z.B. bei Kersten). S&S selbst bezeichnete die Pistole als Selbstlade-Pistole, 6,35 mm, kleinen Modells bzw. als Westentaschenmodell jedoch ohne Jahreszahl. Damit setzte sich die Pistole zumindest vom Modell 1919 ab. Patenterteilung und erste Werbeanzeigen ab November 1924 lassen jedoch den Schluss zu, dass die Bezeichnung WTM 24 die richtigere ist.

Das Modell 24 ist ein unverriegelter Rückstoßlader mit feststehendem Lauf und Schlagbolzenschloss. Ein mit der Schlagbolzenfeder verbundener, hinten an der Verschlusshülse austretender Stift zeigt an, ob die Waffe gespannt ist. Die Griffschalen bestehen aus Hartgummi und sind mittels eines Stifts und eines Haltebolzens am Griffstück befestigt. Die Abzugsstange ist dreigeteilt und besitzt neben der eigentlichen Stange noch einen Winkelhebel und eine Feder. Der Hebel sorgt dafür, dass die Stange permanent nach vorne gedrückt wird. Ein Höcker auf der Stange sorgt in Verbindung mit einer entsprechendem Ausnehmung in der Verschlusshülse dafür, dass die Stange erst bei vollständig geschlossenem Verschluss den Abzugsstollen erreichen kann. Der gefederte Hülsenauszieher sitzt oben mittig auf dem Verschlussstück. Der Auswurf der ausgezogenen Hülse erfolgt über die Schlagbolzenspitze nach hinten, oben.


Das WTM 24 ist auf der linken Seite der Verschlusshülse wie folgt beschriftet:

                              PATENT.

J.P. SAUER & SOHN, SUHL

Rechts auf der Verschlusshülse steht

CAL. 6,35. PATENT

Hinten auf dem Griffstück findet sich das Firmenzeichen von Sauer & Sohn, der wilde Mann mit Keule. Insgesamt dürften von der WTM 24 rund 8.300 Stück hergestellt worden sein.


Fazit

Die Westentaschenmodelle von Sauer & Sohn fristen mit rund 20.000 hergestellten Pistolen gegenüber den bekannten - und viel intensiver beworbenen - Modellen 1913 und 1919 eher ein Schattendasein und sind Ausdruck eines Markttrends zu immer kleineren Taschenpistolen, der sich vor allem aus dem überaus erfolgreichen Walther Modell 9 entwickelte. Die WTM dürfen dennoch in keiner Sauer & Sohn Sammlung fehlen.

Abmessungen


Länge

Lauflänge

Höhe

Breite

Gewicht

Magazinkapazität

Seriennummern-bereich

WTM 24

107 mm

55 mm

73 mm

21 mm

320 g

6

bis 8300

WTM 28

102 mm

50 mm

70 mm

17 mm

275 g

6

8140 - 15500, 250000 - 252500

WTM 33

102 mm

50 mm

70 mm

17 mm

275 g

6

252503 - 254300

WTM 24 linke Seite
Schön zu erkennen der durchbrochene Schlitten und der Griffschalenhaltebolzen.
WTM 24 rechte Seite
WTM 24 rechte Seite
Sauer WTM 24 Österreich
Anderes WTM 24 mit österreichischem Beschuss aus 1927.
WTM 24 zerlegt links
Verschlussstück und Verschlusshülse getrennt.
WTM 28, früh, links
Frühes Modell mit der Druckplatte der Sicherung mit waagerechten Rillen.
WTM 28
Eindeutig: Patenthinweis auf der rechten Seite.
WTM 28 zerlegt rechts
Gut erkennbar die Nockenhülse sowie die Griffschalen mit Schraube.
WTM 28 zerlegt links
Kurzer Schließfeder-Führungsbolzen.
WTM 33 linke Seite
Neu: der Schlitten ist nicht mehr durchbrochen. Die Griffschalen zeigen weiter Modell 28.
WTM 33 rechts
Gut zu sehen. Das Auswurffenster.
WTM 33 zerlegt rechte Seite
Gegenüber dem Modell 28 deutlich veränderte Abzugsstange.
WTM 33 zerlegt linke Seite
Auf der rechten Seite keine Änderungen gegenüber dem Modell 28.