Technik und Patente
Die Pistolen der Modellserie 1910 haben eine einteilige Griffschale aus Kunststoff oder Holz. Das einteilige, neun Patronen fassende Magazin ist im Griffstück untergebracht, der Magazinhalter befindet sich an der Unterseite des Griffstücks. Das Verschlussstück ist durchbrochen, sodass der Lauf zu sehen ist, mit einem Auswurffenster auf der rechten Seite. Es finden sich sieben bzw. 10 senkrechte Griffrillen am Verschlussstück. Der Lauf ist starr und wird durch den Laufhalter in Position gehalten. Es finden sich zwei Typen von Ausziehern, kurze und lange. Die kurze Variante endet rund 8 mm vor den Griffrillen, die lange geht bis zu den Griffrillen.
Die Pistole ist mit einem Schlagbolzenschloss ausgestattet. Wenn der Schlagbolzen gespannt ist, so ragt dessen Ende durch eine Bohrung an der Hinterseite des Schlittens sicht- und fühlbar nach außen. Die Sicherung befindet sich links und kann bequem mit dem Daumen bedient werden. Beim Entsichern wird durch den Druck auf den Knopf der unter der Griffschale angeordneten Sicherungssperrfeder das federbelastete Sicherungsstück in seine Ausgangslage geschnellt. Der Kimmenausschnitt ist U-förmig, das Korn is halbmondförmig, schräg abgeschnitten oder gerade. Die Magazine sind aus poliertem, vernickeltem oder brüniertem Stahlblech gefertigt und weisen am Boden meist das Mauser Logo auf. Bei frühen Magazinen sind die Seiten nicht durchbrochen. Spätere haben neun Bohrungen zur Ladestandskontrolle. Späte Magazine haben drei Längsschlitze.
Mauser sicherte seine Konstruktion durch mehrere Patente ab:
DRP215812 - "Laufhalter für Pistolen, insbesondere Selbstladepistolen mit feststehendem Lauf", 25. Dezember 1908.
Das Patent schützt die Art der Laufbefestigung, bei der ein Einsteckstift durch zwei Ansätze des Laufs hindurchgeht. Der am hinteren Laufende befindliche Ansatz greift in das Griffstück ein, der vordere Ansatz dient der Verriegelung des Laufhalters.
DRP225289 - "Feststellbare Sicherung für Feuerwaffen, insbesondere selbsttätige Feuerwaffen", 11. April 1909.
Die Sicherung wirkt mittels eines Flügels sperrend auf die Abzugklinke und steht unter Federdruck, sodass dieser nach Auslösen der Sperre in die Ruhelage schnellt und damit die den Abzug freigibt.
DRP231195 - "Laufhalter für Pistolen, insbesondere Selbstladepistolen mit feststehendem Lauf", 25. Juli 1909
Es handelt sich hierbei um eine Verbesserung des DRP215289, indem die Kupplung des Laufhalters mit dem vorderen Laufansatz vereinfacht wird.
DRP279890 - "Sperrvorrichtung an selbsttätigen Feuerwaffen", 20. September 1912.
Der den Verschluss sperrende und durch das Magazin bewegte Sperrkörper wirkt nun zusätzlich auf die Abzugsvorrichtung.
Technische Daten
Modell | Länge | Breite | Höhe | Lauflänge | Gewicht | Patronen | Seriennummern |
1910, 1910/14, 1910/34 | 136 mm | 22 mm | 100 mm | 78,5 mm | 425 g | 9 | 1 - 429000 |
Werbeanzeige zur Mauser Modell 1910, Der Waffenschmied 1911
Patentzeichnung zur Laufbefestigung, DRP 215812
Modell 1910 - Sidelatch
Innerhalb der ersten vier Jahre stellte Mauser 61.000 Pistolen her. Frühe Pistolen weisen eine kleine Klappe auf der Deckplatte auf der linken Seite auf. Dieser sog. Sidelatch dient als Verschluss der Abdeckplatte. Es finden sich insgesamt drei Varianten des Modell 1910 "Sidelatch".
Variante 1: (Seriennummer 1 - 4900)
Diese Variante weist einen schmalen Entsicherungsknopf mit rund 4 mm Durchmesser auf. Die Griffigkeit wird durch konzentrische Kreise erreicht. Ganz frühe Pistolen haben geriffelte Knöpfe. Die Beschriftung des Verschlusstücks lautet:
Frühe Pistolen bis etwa Seriennummer 2500 haben eine Auszieher, bei späteren wurde darauf verzichtet. Auch haben die Magazine dieser frühen Waffen keine Bohrungen zur Ladestandkontrolle; erst später haben die Magazine neun Löcher.
Variante 2: (Seriennummer 4900 - 16100)
Der Durchmesser des Entsicherungsknopf beträgt jetzt 6 mm. Ansonsten ist die Pistole identisch zur 1. Variante.
Variante 3: (Seriennummer 16100 - 60470)
Diese Variante weist folgende Beschriftung auf:
WAFFENFABRIK MAUSER A.-G. OBERNDORF A.N. MAUSER’S PATENT
Auf der rechten Seite findet sich die Beschriftung:
GERMANY
Typisch für das Modell 1910 ist der kurze Auszieher und ein vernickeltes Magazin. Auch findet sich nur bei diesem Modell eine Abzugsachse, die gleichzeitig als Haltehebel für die Abdeckplatte fungiert.
Modell 1910/14
Das Modell 1910 "Sidelatch" bleibt bis zum Juli 1913 in Produktion und wird dann vom Modell 1910/14 abgelöst. Im Kern weist die 1910/14 drei wesentliche Neuerungen auf. Erstens verschwindet der Sidelatch. Das Entfernen der Abdeckplatte erfordert nun das Abnehmen des Schlittens; sie kann dann einfach abgehoben werden. Zweitens wird der Mechanismus des Unterbrechers verändert und drittens wird das der mit dem DRP279890 eingeführte Mechanismus umgesetzt. Nach dem letzten Schuss bleibt der Schlitten offen. Mit Einführen eines neuen Magazins schließt der Schlitten automatisch. Insgesamt wurden rund 244.000 Pistolen dieses Modells hergestellt.
Variante 1: (Seriennummer 60470 - 115000)
Hergestellt zwischen 1914 und 1919 weist dieses Modell die gleiche Beschriftung auf, wie die Vorgängervariante:
WAFFENFABRIK MAUSER A.-G. OBERNDORF A.N. MAUSER’S PATENT
Auf der Deckplatte findet sich das Mauserlogo und das Korn ist abgeschrägt.
Im Seriennummernbereich 150000-156000 und 200000-207000 wurden nach dem 1. Weltkrieg Waffen aus Restteilen montiert, sodass sich unterschiedliche Zusammenstellungen aus Elementen vorheriger Varianten finden lassen. Im Seriennummernbereich zwischen 156000 und 200000 sind keine Pistolen bekannt.
Variante 2: (Seriennummer 207000 - 342000)
Diese Variante wurde zwischen 1921 und 1928 gefertigt und zeichnet sich durch einen vereinfachten Magazinhalter, sieben breite Griffrillen und eine neue Verschlusstückbeschriftung aus. Auf der Deckplatte findet sich das Mauser Logo, teilweise sind die Pistolen aber auch ohne Logo.
WAFFENFABRIK MAUSER A.-G. OBERNDORF A.N.
Ab etwa Serienummer 239000 findet man auf der rechten Verschlussstückseite die Beschriftung
Mauser - 6,35
Um Seriennummer 256100 wird wieder das halbmondförmige Korn eingeführt.
Variante 3: (Seriennummer 356900 - 404800)
1928 wird die Mauser Waffenfabrik umbenannt und dementsprechend die Beschriftung angepasst.
MAUSER-WERKE A.-G. OBERNDORF A.N.
Zwischen Seriennummer 367000 und 388000 wird die rechte Waffenseite wie folgt beschriftet:
Cal. 6,35
Ab 388000 folgt die Beschriftung
Cal. 6,35-D.R.P.u.A.P.
Dieses Modell bliebt vermutlich bis 1936 in Produktion.
Modell 1910/34 - Seriennummer 401800 bis 429000
Obwohl erst 1936 in Produktion, erhält das Modell 1910/34 seinen Namen vom 7,65mm Browning Modell 1934. Wesentliches Merkmal ist der verdickte Griffrücken. Frühe Waffen zwischen Nummer 401800 und 423000 haben die Seriennummer normal vorne links am Schlitten. Ab Seriennummer 423000 wird der Bereich für die Seriennummer leicht eingefräst. Ab Nummer 428000 findet sich der Zivilbeschuss Adler N , der ab 1940 eingeführt wurde.
Zu Beginn wurde die 1910 Sidelatch für 39 Mark angeboten und kam in eine grünlichen Pappschachtel mit Anleitung, Putzbürste und zwei Exerzierpatronen. Für knapp 20% Preisaufschlag gab es eine vernickelte Variante. Als Luxusmodelle wurden vernickelte Pistolen mit Silber und Perlmuteinlage im Griff bzw. gravierte, versilberte Pistolen mit Perlmuteinlage im Griff angeboten.
Fazit:
Das Modell 1910 und die Folgemodelle finden sich in unzähligen Varianten. Die konstruktionsbedingten und fertigungstechnischen Änderungen bieten ein günstiges Feld für angehende Sammler zur Anlage einer systematischen Modellsammlung. Schließlich gehört das Modell 1910 zu den erfolgreichsten 6,35 mm Taschenpistolen, war es doch knapp 30 Jahre in Produktion.
Werbeanzeige zur Mauser Modell 1910/14 und Modell 1914, Der Waffenschmied 1915
Paul Mauser im Jahr 1908
Varianten der Schlittenbeschriftung
Unterschiedliche Kornform und Laufhalter
Beschriftungsvarianten rechte Seite
Patentzeichnung zur Sicherung, DRP 225891
Unterschiedliche Formen des Magazinhalters
Mauser Selbstladepistole 1910, 1910/14, 1910/1934 im Kaliber 6,35 mm Browning
Vorbemerkung: Sammlern von Mauser Taschenpistolen empfehle ich das hervorragende Buch von Jean Huon, Geschichte der Mauserpistolen, den von meinen Kollegen, Ed Buffaloe und Burgess Mason III, 2017 veröffentlichten Artikel Mauser Pistols: 1910, 1914, WTP, HSc sowie den hervorragenden Artikel Mauser Selbstladepistolen Kaliber 6,35 von Gerhard Wirnsberger im DWJ 10/1989. Der nachfolgende Artikel basiert im Wesentlichen auf diesen Quellen sowie auf Erkenntnissen aus meiner Forschung.
Die Selbstladepistole Modell C96 der Waffenfabrik Mauser A.G. Oberndorf am Neckar war sicherlich eine der erfolgreichsten Pistolen ihrer Zeit. Dem Trend zu Taschenpistolen zu Beginn des 20. Jahrhunderts wollte Mauser mit einer neuen Pistolenserie in der Kaliberbandbreite von 6,35 mm Browning bis 9mm Luger begegnen. Unter dem Konstrukteur Josef Nickl entstand so zunächst eine Pistole mit Masseverschluss im Kaliber 9mm Luger, die man später maßstabsgerecht auf schwächere Kaliber verkleinern wollte. Doch die 9mm Luger erwies sich als zu stark für eine solche Konstruktion und so konzentrierte sich Mauser zunächst auf das Kaliber 6,35 mm Browning. Die hieraus entstandene Pistole bot Mauser zunächst als Mauser Selbstlade-Taschenpistole im Kaliber 6,35 mm an. Die Modellbezeichnung M 1910 kam dann relativ schnell hinzu und findet sich bereits in frühen Bedienungsanleitungen. Im Laufe der Produktionszeit kam es zu Modellanpassungen, die als Modell 1910/14 und 1910/34 bezeichnet werden. Späte Bedienungsanleitungen aus den 1930ern sprechen auch von "Neunlader".
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