Waffenfabrik Simson & Co, Modelle 1922 und 1927
Vorbemerkung: Die Firma Simson & Co dürfte den meisten vor allem wegen ihrer Motorräder bekannt sein. Darüber hinaus ist die Waffenfabrik Simson & Co bekannt für die Produktion von Luger Pistolen zwischen 1925 und 1934 sowie Flinten. Doch auch die Geschichte der jüdischen Unternehmerfamilie und deren Enteignung unter dem nationalsozialistischen Regime ist von hohen Interesse. Detailliert schreibt hierzu Ulrike Schulz in der Serie Quellen zur Geschichte Thüringens, Die Enteignung der Firma Simson & Co, Suhl/Thüringen (1927-1935). Ebenso liefert die zweiwöchentlich erscheinende Zeitschrift Der Waffenschmied im Jahr 1924 einen ausführlichen Artikel zur überaus erfolgreichen Waffenfabrik Simson & Co. Doch um die Geschichte des Unternehmens geht es hier nur am Rande. Denn Simson & Co brachte in den Jahren 1922 und 1927 zwei Taschenpistolen im Kaliber 6,35 mm Browning heraus, die ich hier vorstelle.
Ansicht der Waffenfabrik Simson & Co. Der Waffenschmied 1924
Zur Geschichte der Firma Simson & Co
In kleinen Ort Heinrichs bei Suhl erwarben die beiden Brüder Löb und Moses Simson im Jahr 1856 die Mehrheit an einem alten Stahlhammer und ließen auf dem Gelände eine Bajonett- und Ladestockfabrik errichten. In den 1860er Jahren begannen die Brüder auch mit der Herstellung von Gewehrläufen und schließlich kompletten Gewehren. Bereits 1866 erhielt die Fabrik Heeresaufträge. Ab 1886 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs lieferte Simson unter anderem an das sächsische Kriegsministerium. 1896 ergänzte Simson die Produktpalette um Fahrräder, ab 1907 auch Automobile. Ab der Jahrhundertwende war Simson & Co der mit Abstand größte Arbeitgeber vor Ort mit rund 1.500 Beschäftigten bis 1914. Während des Krieges stieg die Zahl auf über 6.000. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Simson zunächst von Produktionsverboten und Inflation getroffen, doch eine glückliche Fügung machte die Firma zum alleinigen Ausrüster der Reichswehr und Profiteur der geheimen Wiederaufrüstung - eine Lage, die eine Reihe von Neidern auf den Plan brachte. Unter anderem hatte Simson ab 1927 die thüringische NSDAP, unter dem Gauleiter Fritz Sauckel, gegen sich. Sauckel machte Simson zur "Chefsache", so Schulz, "und führte den Kampf gegen die "jüdische" Unternehmerfamilie im Stil eines persönlichen Feldzuges". Vorwürfe waren unter anderem "betrügerische Preiskalkulation". Doch bis zur Machtübernahme der NSDAP 1933 waren die Angriffe wenig erfolgreich. Ab 1933 wurden gegen Simson Untersuchungen mit dem Ziel geführt, die Firma zu übernehmen. Bereits Anfangs 1934 setzte die Gauleitung einen hörigen Geschäftsführer ein. Julius Simson floh bereits im Oktober 1934 dauerhaft in die Schweiz. Bruder Arthur floh nach San Remo, verkehrte jedoch weiterhin nach Berlin, wo er im April 1935 von der Gestapo verhaftet wurde. Mit fingierten Rechnungsprüfungen wurden erhebliche "Übergewinne" für die zurückliegenden Geschäftsjahre konstruiert und diese schlussendlich dem - viel zu niedrig angesetzten - Unternehmenswert verrechnet. Im November 1935 wurde Arthur Simson gezwungen, die Schuld anzuerkennen und das Unternehmen gegenüber der thüringischen Galuleitung abzutreten. Die "Restschuld" musste die Familie Simson an Sauckel zahlen. Die Gestapo hatte Simsons Pass eingehalten, dennoch gelang die Flucht über die Schweiz in die USA. Die Flucht bliebt jedoch nicht unbemerkt und die beiden Brüder Simson wurden entrechtet, ausgebürgert und das Gesamtvermogen 1939 und 1940 zu Gunsten des Deutschen Reichs eingezogen.
Doch zurück zu den Waffen. Trotz der auskömmlichen Auftragslage mit Heeresaufträgen, brachte Simson 1922 auch noch eine Pistole im Kaliber 6,35 mm Browning heraus. Zwei Ausführungen sind bekannt: das Modell 1922 und Modell 1927, die sich lediglich in ihrer äußeren Formgebung unterscheiden.
Technik und Funktionsweise der Pistole
Simson bewirbt die angenehme Form und unterstreicht die Tatsache, dass die Pistole ohne hervorspringende Teile sei. Zudem sei die Pistole sehr einfach und ohne Werkzeug zu zerlegen. In der Tat besteht die Pistole nur aus 33 Teilen. Auffallendes Merkmal der Simson Pistolen ist die sehr gute Verarbeitung. Simson macht laut Beschriftung auf der Waffe einen Patentschutz geltend. Leider konnte ich das passende Patent jedoch nicht ausmachen.
Beim Modell 1922 bzw. 1927 handelt es sich um eine Selbstladepistole mit unverriegeltem Feder-Masse-Verschluss und Schlagbolzenschloss. Der Auszieher sitzt mittig oben am Verschlusstück und der Hülsenauswurf erfolgt senkrecht nach oben. Beide Modelle haben ein gerundetes Verschlussstück. Beim Modell 1922 ist auch das Griffstück vorne gerundet und lauf nach hinten flach aus. Beim Modell 1927 vereinfachte Simson das Griffstück, das nun auf der ganzen Länge flach ist.
Simson hebt die Konstruktion der Drehsicherung besonders hervor. Der Sicherungshebel ist mittig halb ausgenommen. Dreht man den Hebel um 90° nach unten, so schiebt die vorhandene Rundung der Hebelachse die Abzugsstange nach hinten und entkoppelt diese vom Abzug. Dazu ist die Abzugsstange in der horizontalen Richtung verschiebbar. Gleichzeitig legt der Sicherungshebel die Abzugsstange fest.
Die Abzugsstange ist einteilig und dient zugleich auch als Abzugsstollen. Als weitere Sicherung wird die Stange beim Schuss in der Rückwärtsbewegung des Verschlusstücks vom Abzug entkoppelt. Bewegt sich das Verschlusstück, von der Schließfeder angetrieben, nach vorne, wird die Stange gefangen und die Verbindung zum Abzug wieder hergestellt.
Zum Zerlegen drückt man den den vorne im Anzugsbügel liegenden Zerlegehebel ein. Dann führt man das Verschlussstück rund einen Zentimeter nach hinten und kann es dann nach oben vom Griffstück abheben. Um die Pistole vollständig zu zerlegen, d.h. inklusive des Abzugsmechanismus, dreht man die Sicherung um 90° nach unten und zieht diese bis zur zweiten Rast heraus. Dann schiebt man das Führungsstück nach vorne und entnimmt es nach oben, was gleichzeitig auch die Abzugsstange frei gibt.
Varianten
Die Pistolen sind auf der linken Seite wie folgt markiert:
WAFFENFABRIKEN SIMSON & CO. SUHL
Darunter findet sich das Warenzeichen der Firma Simson: drei ineinanderübergehende Dreiecke, davon das mittlere mit einem S. Dieses Zeichen sitzt mittig unter Beschriftung.
Auf der rechten Seite steht:
SELBSTLADEPISTOLE SIMSON D.R.P.
Im Laufe der Produktion ändert sich die Zahl der Griffrillen. Die anfänglich 12 Rillen werden noch unterhalb Seriennummer 1000 auf sieben Rillen reduziert. Ebenso weist der Sicherungshebel zur Verbesserung der Griffigkeit zunächst konzentrische Kreise, später ein Fischhautmuster auf.
Beim Modell 1927 erhöht sich im Laufe der Produktion die Zahl der Griffrillen auf acht.
Der Wechsel vom Modell 1922 auf das Modell 1927 erfolgt zwischen Seriennummer 2226 und 2271. Die Seriennummern laufen bis etwa 5000 um dann wieder bei etwa 20000 zu beginnen. Simson könnte hier versucht haben, die Produktionszahlen attraktiver erscheinen zu lassen. Die höchsten Nummern bewegen sich im Bereich um 35000. Es dürften also im besten Fall um die 20.000 Pistolen gefertigt worden sein.
Ausgeliefert wurde die Pistole in einer weiß mellierten Pappschachtel, aber es gab auch wertigere, mit rotem Samt ausgelegte Holzschattulen mit dem Simson Schriftzug außen auf dem Deckel.
Werbung für die neue Simson Pistole, Der Waffenschmied 25. Dezember 1922
Werbeanzeige in Gerhard Bock, Moderne Faustfeuerwaffen und ihr Gebrauch, 1923. Die Pistole wird offiziell als Modell 1922 bezeichnet.
Abmessungen:
Länge | Lauflänge | Höhe | Breite | Gewicht | Magazinkapazität | Seriennummern-bereich | |
Modell 1922 | 116 mm | 55 mm | 80 mm | 22 mm | 375 g | 6 | 1-2200 |
Modell 1927 | 116 mm | 55 mm | 80 mm | 22 mm | 375 g | 6 | 2200-5000 20000-35000 |
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