Fabrique Nationale d'Armes de Guerre, Modell Baby


Vorbemerkung:

Sammlern von FN Pistolen empfehle ich das hervorragende Buch FN Browning Pistols von Anthony Vanderlinden als "Pflichtlektüre". Dieser Artikel basiert im Wesentlichen auf Informationen aus Vanderlindens Buch, weiterführender Literatur, Erkenntnissen aus Patenten und eigenen Forschungen.

Technik und Patente

Beim Modell Baby handelt es sich um eine Selbstladepistole mit unverriegeltem Feder-Masseverschluss und Schlagbolzenschloss. Die Schließfeder ist unterhalb des Laufs angeordnet und wird über eine Federführungsstange geführt, die in einer Aussparung hinten im Griffstück und vorne in einer Bohrung des Schlittes gelagert ist. Die Abzugsstange verläuft unter der rechten Griffschale und wirkt unmittelbar auf den Abzugsstollen. Der Sicherungshebel verläuft unter der linken Griffschale und lässt sich bequem mit dem Daumen bedienen. Die Sicherung wirkt auf den Abzugsstollen und sperrt gleichzeitig das Verschlussstück. Zudem hat die Baby eine Magazinsicherung, die den Abzugsstollen sperrt, solange kein Magazin eingeführt ist. Ein Spannanzeiger in Form eines Stifts tritt aus dem Widerlager des Verschlusstücks sicht- und spürbar hervor.


Mit dem belgischen Patent 343126 vom 10. Juni 1927 ließ sich FN u.a. die Befestigung des Verschlussstücks patentieren. Dazu hat das Verschlusstück vorne unten eine T-förmige Ausfräsung, die in eine entsprechende Führung im Griffstück eingreift. Der Lauf besitzt unterhalb des Patronenlagers drei Warzen, die in Nuten des Griffstücks eingreifen. Zudem besitzt der Lauf an der Unterseite im Mündungsbereich eine Verdickung, die im Verschlusstück geführt wird. Zum Zerlegen zieht man den Verschluss zurück und legt ihn mit der Sicherung fest. Dadurch gibt das Verschlussstück die Verdickung frei und dann kann man den Lauf um rund 90° nach links drehen und das Verschlussstück nach vorne abziehen.


Im Laufe der Produktion kam es nur zu marginalen Änderungen. So wurde bspw. Ende der 1960er der Abzugszüngel und der Magazinhalter in Kunststoff ausgeführt. 1968 wurde zudem der Zubringer des Magazins von einer flachen auf eine gebogene Ausführung umgestellt. Vor 1954 wurde einige vernickelte Pistolen hergestellt. Ab 1953 waren matt- oder glanzverchromte Pistolen erhältlich. Auch wurden in den 1950ern Pistolen mit Griffstücken aus Aluminium angeboten. Diese Alu-Modelle wurden standardmäßig mit matt- oder glanznickel beschichteten, brünierten, teilvergoldeten, vergoldeten und gravierten Verschlussstücken angeboten. Es gab zudem weiße Kunststoff- oder punzierte Nussbaumgriffschalen.


Die Pistole wurde in einer dunkelgrünen Pappschachtel mit erhabenem Logo auf dem Deckel augeliefert. Schachteln nach 1945 weisen auf dem Deckel eine diamantförmige Riffelung auf. Später sind auch Kunststoffschachteln in beige und dunkelgrau erhältlich. Bis Ende der 1940er lag den Pistolen eine relativ einfach gestaltete Anleitung mit den Abmessungen 62x92mm bei. Später kam dann auf dem Deckblatt schwarz unterlegte Anleitung mit 160x215mm.

Varianten

Bei den durch bzw, für FN hergestellten Pistolen finden sich verschiedene Schlittenbeschriftungen:


FABRIQUE NATIONALE D’ARMES DE GUERRE HERSTAL BELGIQUE
BROWNING’S PATENT     DEPOSE


Um 1962 wurde auf folgende dreizeilige Beschriftung umgestellt:

FABRIQUE NATIONALE D’ARMES DE GUERRE
HERSTAL BELGIQUE
BROWNING’S PATENT DEPOSE


Um 1964 finden sich im Seriennummernbereich 288xxx Pistolen mit einer zweizeiligen Beschriftung auf der rechten Waffenseite:

BROWNING’S PATENT DEPOSE

FABRIQUE NATIONALE D’ARMES DE GUERRE - HERSTAL - BELGIQUE


1972 erfolgte eine Vereinfachung auf die einzeilige Beschriftung auf der linken Seite:

FABRIQUE NATIONALE


Um 1974 finden sich wieder Pistolen mit zweizeiliger Beschriftung auf der linken Seite:

FABRIQUE NATIONALE HERSTAL BELGIQUE 

BROWNING'S PATENT DEPOSE


Die für die USA gefertigten Waffen weisen folgende Beschriftungen auf:

BROWNING ARMS COMPANY
MADE IN BELGIUM

oder

BROWNING  ARMS  COMPANY__ST. LOUIS,  MISSOURI
MADE   IN   BELGIUM


Auf die in den USA durch PSP und PSA gefertigten Pistolen wird nicht weiter eingegangen.

Fazit:

Die FN Baby gehört zu den "Klassikern" im Segment der Taschenpistolen und dürfte dejenige Taschenpistole sein, die am längsten ununterbrochen in Produktion geblieben ist. Definitiv sind FN und ihre Pistolenproduktion einen Blick für Sammler wert.


Abmessungen:

Geschichte der Fabrique National d'Armes de Guerre und des Modell Baby

Die Firma Fabrique Nationale d'Armes de Guerre (FN) wurde am 3. Juli 1889 als Konsortium verschiedener Anteilseigner aus der Waffenbranche zur Erlangung und Abarbeitung eines großen belgischen Armeeauftrags über 150.000 Repetiergewehre gegründet. Zu den Gründern gehörten bekannte Namen wie Henri Pieper oder Auguste Francotte und nur wenige Tage nach Gründung erhielt FN den Zuschlag für den Armeeauftrag. Ende 1894 war der Auftrag abgearbeitet und FN hatte weltweit einen hervorragenden Ruf. 1896 erwarb die deutsche Ludwig Löwe & Co., zu der auch die Mauser Waffenwerke gehörten, Mehrheitsanteile von FN und arbeite nun konsequent daran, die belgische Konkurrenz im Militärwaffenbereich zu marginalisieren. Aufgrund der infolge dessen mangelhaften Auslastung erweiterte FN seine Produktpalette um Zivilwaffen und Fahrräder. Über letztere kam die Firma in Kontakt mit John Moses Browning und so folgte ab Juli 1897 eine Zusammenarbeit im Waffenbau, bei der FN Browningkonstruktionen in Lizenz herstellte. Mit der FN 1899 und FN 1900 im Kaliber 7,65 mm Browning und der der FN 1903 im Kaliber 9 mm Browning long war der Weg für eine erfolgreiche Zusammenarbeit gelegt. Ein weiterer Coup gelang mit dem Modell 1905/06 im neuen Kaliber 6,35 mm Browning, um die es hier im Folgenden gehen soll. Ab 1907 sicherte sich FN die Rechte am Markennamen "Browning". Automatische "Browning Pistolen" kamen fortan nur noch aus Belgien.

1931 brachte FN das Modell Baby als "Pistolet Browning 6.35 Allégé" (leichtere Browning Pistole 6,35) auf den Markt. Parallel dazu lief die Produktion des legendären Modell 1906 weiter. Dennoch folgte FN mit der Baby dem Trend zu kleineren Taschenpistolen; die Ähnlichkeit zur Walther Modell 9 ist unverkennbar. Die FN Baby wurde von 1931 bis 1977 unverändert unter der Ägide von FN produziert. Und noch heute wird die Pistole in den USA gebaut. Die Baby dürfte damit eine der wohl bekanntesten und am längsten hergestellten Taschenpistolen sein.

Vanderlinden schreibt, dass FN das Modell Baby aufgrund der Wirtschaftskrise und dem Fokus auf Militäraufträge in den 1930ern nicht bewarb, sodass die Produktionszahlen vergleichweise niedrig blieben und bis zur deutschen Besetzung im Mai 1940 nur 50.147 Pistolen hergestellt wurden. Unter deutscher Besatzung fertigte FN lediglich 129 Pistolen (bis SN 50276). Waffensammler mit der Auflage, nur Waffen bis zum Konstruktionsjahr 1945 zu erwerben, müssen also nach Waffen mit niedrigerer Seriennummer Ausschau halten.


1946 begann FN wieder mit der Herstellung der Baby und setzte die Nummerierung lückenlos fort. Erst 1953 enschied sich FN für den Export auf den US-Markt, wo die Waffe von Beginn an ein Erfolg war. Die Produktionszahlen verzehnfachten sich in nur einem Jahr, von 1.374 auf 13.313 Pistolen zwischen 1953 und 1954, und die Zahlen stiegen weiter.

Ein jähes Ende des US-Abenteuers war der Gun Control Act von 1969, der den Import kleiner Selbstladepistolen verbot. Die Produktionszahlen fielen von 42.588 (1968) auf nur noch 1.957 (1969). 1977 kaufte FN Anteile des französischen Herstellers Manufacture d'Armes de Bayonne (MAB) und verlagerte schlussendlich die Produktion der Baby zu MAB. Doch MAB ging 1983 insolvent und FN verkaufte verbliebene Teile, Maschinen und Produktionsrechte an die US Firma Precision Small Arms (PSP), die ab 1987 bis 1995 wieder Babys herstellte. 1997 wurde die Firma unter dem Namen Precision Small Arms (PSA) in Denver, Colorado, neu aufgestellt und PSA fertigt die Baby bis heute.

Zeichnung des belgischen Patents Nr. 343126 vom 10. Juni 1927.

Beispiele für Schlittenbeschriftungen der bei FN bzw. MAB  hergestellten Pistolen.

Zerlegte FN Baby

Funktionsweise der Magazinsicherung: Das Magazin drückt den Sicherungshebel nach innen und dieser gibt dann den Abzugsstollen frei.

Spannanzeiger an der Hinterseite des Verschlusstücks. In gespanntem Zustand steht ein Stift sicht- und spürbar hervor.

Explosionszeichnung FN Baby


Länge

Lauflänge

Höhe

Breite

Gewicht

Magazinkapazität

Seriennummern-bereich

Stahlgriffstück

104 mm

53,6 mm

72 mm

20 mm

275 g

6

1 - ca. 505000

Alu-Griffstück

104 mm

53,6 mm

72 mm

20 mm

205 g

6


FN Baby, Vorkrieg, matt vernickelt
FN Baby, Vorkrieg, matt vernickelt
Seltene Vorkriegs-Baby mit mattem Nickelfinish.
FN Baby, Vorkrieg, brüniert
FN Baby, Vorkrieg, brüniert
Brünierte Vorkriegs-FN Baby mit tschechischem Beschuss von 1936
FN Baby, zweizeilige Beschriftung
FN Baby, zweizeilige Beschriftung
Nachkriegs-FN Baby, vermutlich aus dem dem Jahr 1957, mit zweizeiliger Beschriftung.
FN Baby zweizeilige Beschriftung
FN Baby zweizeilige Beschriftung
Eine der letzten produzierten Pistolen mit zweizeiliger Beschriftung vor Start der Produktion bei MAB.
FN Baby, zweizeilige Beschriftung, rechte Seite
FN Baby, zweizeilige Beschriftung, rechte Seite
Nachkriegs-FN Baby, rechte Seite
FN Baby, Alu Griffstück
FN Baby, Alu Griffstück
Luxus FN Baby mit Alu Griffstück und verchromtem Verschlusstück. Exportbeschriftung
FN Baby SN 288628 right side
FN Baby SN 288628 right side
Bislang in der Literatur unbekannte Variante mit der Schlittenbeschriftung rechts.
FN Baby, dreizeilige Beschriftung
FN Baby, dreizeilige Beschriftung
Späte dreizeilige Beschriftung. Diese Pistole hat bereits einen Abzug und Magaziauslöser aus Kunststoff.
MAB Baby, einzeilige Beschriftung
MAB Baby, einzeilige Beschriftung
Von MAB um 1981 produzierte Baby mit Perlmuttgriffschalen.
Nachkriegs-Schachtel
Nachkriegs-Schachtel
Dunkelgrüne Nachkriegs-Schachtel mit diamantrauten Druck.
Kunststoffbox weiß
Kunststoffbox weiß
Variante, Kunststoffbox weiß.
Kunststoffbox braun
Kunststoffbox braun
Variante, Kunststoffbox braun.
Späte Styropor Schachtel
Späte Styropor Schachtel
Später finden sich sehr einfache und kostengünstige Styroporschachteln.
Anleitung früh
Anleitung früh
Frühe Anleitung einer Pistole aus den frühen 1950ern.
Anleitung Export
Anleitung Export
Anleitung einer Exportpistole.