Carl Walther Waffenfabrik, Modell 2
Vorbemerkung: Bereits 1910 kam die erste Walther Taschenpistole, das Modell 1, auf den Markt zu der ich hier berichtet hatte. 1911 legte Walther mit einem neuen Patent (DRP 256606) den Grundstein für die Folgemodelle 2 bis 7. Die Nummerierung der Modelle erfolgte dabei nicht chronologisch. So erschien das Modell 3 um 1912, während das Modell 2, um das es hier gehen soll, erst 1914 auf den Markt kam.
Wie bei allen Fragestellungen rund um Walther empfehle ich das hervorragende Buch von Dieter Marschall Walther Verteidigungspistolen. Zur zeitlichen Einordnung der Walther Pistolen empfehle ich den 2023 erschienenen Artikel meines US-Sammlerkollegen Ed Buffaloe Dating Early Walther Pistols, zu dem ich umfangreich zugearbeitet hatte. Mit diesem Artikel hat Ed Buffaloe Grundlagenarbeit geleistet, die alle bisherigen Fachbücher in den Schatten stellt. Die hier präsentierten Informationen basieren zum Teil auf Marschalls Angaben, Buffaloes Artikel, eigenen (Patent-)Recherchen in zeitgenössischen Quellen und der Untersuchung von Realstücken.
Hintergrund zum Walther Modell 2
Eine Besonderheit des Modells 2 ist die sogenannte automatische Visierung. Hierbei handelt es um einen Ladestandsanzeiger in Form einer ausschwenkbaren Kimme. Befindet sich eine Patrone im Patronenlager, tritt die Kimme sicht- und fühlbar nach außen. Das Modell 2 war aber auch ohne automatische Kimme, nur mit Visierrinne erhältlich. Hierzu schrieb Fritz Walther:
Die folgende Beschreibung gilt nicht nur für die Pistole mit automatischer Visierung, sondern auch für die Pistole mit glatter Visierrinne. Wenn die Waffenfabrik zwei Modelle gleichen Kalibers herstellt, so geschieht dies nur deshalb, um das Publikum, welches Wert auf eine einfache, trotzdem aber gute Waffe legt, zufriedenzustellen. [...] Als konkurrenzlose, hochwichtige Neuerung muß das automatische Visier bezeichnet werden, womit das neue Modell ausgestattet ist. Man nimmt dies auch in der größten Dunkelheit durch Tasten mit der Hand wahr. (Quelle: Manfred Kersten, Walther- Eine Deutsche Legende)
Wie eine Anzeige aus dem Gustav Genschow Katalog von 1914 zeigt, bot Walther bei Markteinführung das Modell 2 nur mit Ladeanzeiger an. Die aufwendigere Fertigung schlug sich jedoch im Preis nieder, denn das Modell 2 war teurer als das größere Modell 4. Die Variante ohne automatische Kimme, nur mit einer Visierrinne war also ein Tribut an diejenigen Kunden, die eine günstigere ("einfache") Variante der Pistole wollten.
Diese schnelle Reaktion auf die Kundenwünsche zeigt sich bei den Seriennummern. Denn der Versatz bei den Seriennummern zwischen Waffen mit automatischer Kimme und Visierrinne liegt nur bei wenigen Hundert. Dieter Marschall schreibt hierzu, dass automatische Kimmen ab Seriennummer 1000, Pistolen mit Visierrinne ab Nummer 1770 zu finden sind. Im Laufe der Produktion kam es dann zu weiteren Vereinfachungen, wie dem Verzicht auf die Magazinsicherung und aus dem automatischen Visier wurde ein festes Visier mit Kimme und Korn.
Der beginnende Erste Weltkrieg besiegelte dann recht schnell das Ende des Modells 2. Denn bereits Mitte 1916 wurde es nicht mehr beworben und stattdessen das einfachere Modell 5 angeboten.
Anzeige aus dem Gustav Genschow Katalog von 1914. Sie zeigt ein Modell 2 mit automatischer Kimme und ein Modell 4. Die Modelle 1 und 3 werden als "Altes Modell" bezeichnet. In der Benamung Walthers folgt also das Modell 2 auf das Modell 1 und Modell 4 auf Modell 3.
Zeichnung des Deutschen Reich Patents 256606 vom 22. Oktober 1911 zum Verschlussstück.
Patentzeichnung mit Varianten der automatischen Kimme / Korn gem. DRP 271863.
Werbeanzeige in Der Waffenschmied vom 25.07.1916. Hier wird bereits das vereinfachte Modell 5 beworben.
Technik und Patente
Grundlage des Walther Modells 2 ist das DRP 256606 Rückstoßlader mit feststehendem Lauf und auf dem Griffstück geführten, in seinem Vorderteil hülsenartig ausgebildetem Verschlußstück vom 22. Oktober 1911, ausgegeben am 17. Februar 1913. Der Patentanspruch bezieht sich die auf die Konstruktion des Verschlussstücks, das durch Nut und Warzen auf dem Griffstück geführt wird. Das Verschlussstück liegt an einer Stufe (g1) am Griffstück an (siehe nebenstehende Patentzeichnung). Ein Laufmantel oder eine Hülse beschränkt das Verschlussstück derart, dass es nicht über die Stufe gehoben werden kann. Nach Entfernung des Laufmantels oder der Hülse kann das Verschlussstück über die Stufe gehoben und vollständig nach hinten geführt werden. Erst dadurch lassen sich Aussparungen der Führungswarzen und Quernuten so gegenüberstellen, dass ein Abheben des Verschlussstück möglich ist.
Am 8. Januar 1913 reichte Walther ein weiteres Patent, DRP 271863, Ladeanzeiger für Rückstoßlader ein, das am 14. März 1914 ausgegebenen wurde. Der Anspruch besteht in einem Hebel, der entweder Kimme oder Korn trägt und durch eine im Patronenlager befindliche Patrone so beeinflusst wird, dass entweder Kimme oder Korn nach oben aus dem Verschlussstück hervortreten.
Beim Modell 2 handelt es sich um eine Selbstladepistole mit Masse-Verschluss und innenliegendem Schlagstückschloss im Kaliber 6,35 mm Browning. Die Abzugsstange verläuft auf der rechten Seite unter der Griffschale. Der Lauf mit 4 oder 6 Zügen ist feststehend mit darauf geführter Schließfeder. Über der Schließfeder liegt an deren Ende eine ca. 1 cm lange Hülse. Die Hülse blockiert das Abheben des Verschlussstücks über die Stufe nach DRP 256606. Der Lauf schließt vorne mit einer gerändelten Laufmutter als Verschluss- und Vorholfederhalterung ab, die mittels eines Bajonettverschlusses mit dem Verschlussstück verbunden ist.
Das Hülsenauswurffenster befindet sich auf der rechten Seite des Verschlussstücks. Der außenliegende Hülsenauszieher befindet sich rechts am Auswurffenster. Die Sicherung besteht aus einem Hebel auf der linken Seite hinter der Griffschale und wirkt unmittelbar auf den Schlaghahn, den Abzugsstollen und den Abzug.
Das Verschlussstück verfügt in der Standardausführung über eine Visierrille mit einem Perlkorn. Später wird das Modell 2 auch mit fester Kimme und Korn angeboten. Die Ausführung mit automatischer Kimme hat ein festes Korn und eine nach oben ausschwenkbare Kimme.
Die automatische Kimme besteht aus einem federunterstützen Hebel, der an seinem hinteren Ende die Kimme trägt. Das andere Ende des Hebels ragt vor dem Stoßboden heraus. Befindet sich eine Patrone im Patronenlager, wird der Hebel eingedrückt und das hintere Ende mit der Kimme schwenkt nach oben durch eine Ausnehmung am Verschlussstück. So wird die Kimme sicht- und fühlbar.
Standardmäßig war die Pistole brüniert; gegen Aufpreis waren auch vernickelte Ausführungen erhältlich. Die schwarzen Griffschalen bestehen aus Hartgummi mit Fischhaut und tragen das Walther-Logo (CW) bzw. die Aufschrift Caliber 6,35 im Oval. Gegen Aufpreis waren auch Holz- oder Elfenbeingriffschalen erhältlich. Das Magazin hat fünf Sichtlöcher und fasst 6 Patronen. Der Magazinhalter befindet sich an der Unterseite des Griffstücks. Frühe Modelle haben eine Magazinsicherung, so auch das hier gezeigte Modell 2 mit automatischer Kimme.
Für den Export in den österreichisch-ungarischen Raum sind auch Varianten des Modells 2 mit 18 cm langem Lauf bekannt.
Varianten
Innerhalb der recht kurzen Produktionszeit des Modells 2 gab es nur wenige Änderungen. Modelle mit automatischer Visierung finden sich laut Marschall nur im Seriennummernbereich 1000 bis 20000. Standardmodelle mit Visierrinne bzw. fester Visierung finden bis Seriennummer 71000.
1. Ausführung (Seriennummer 1000 bis 27000)
Auf der linken Seite des Verschlussstücks steht:
SELBSTLADE-PISTOLE CAL. 6,35. WALTHER'S-PATENT
Darunter die Walther Schleife. Die rechte Seite des Verschlussstücks bleibt frei.
In diesem Nummernbereich finden sich die Modelle mit automatischer Visierung.
2. Ausführung (Seriennummer 27000 bis 71000)
Auf der linken Seite steht:
SELBSTLADE-PISTOLE CAL. 6,35. WALTHER'S-PATENT.
Darunter die Walther Schleife, die tlw. in die Beschriftung übergeht.
Auf der rechten Seite steht:
Carl Walther, WAFFENFABRIK Zella-St. Blasii.
bzw. Carl Walther, WAFFENFABRIK Zella St. Bl.
Vereinzelt finden sich Fehlstempelungen mit "St. Basii" anstatt " St. Blasii".
Alle Pistolen haben neun breite Spannrillen. Die Seriennummer befindet sich rechts am Griffstück vorne am Abzugsbügel.
Die Gesamtproduktion belief sich auf rund 19.000 Pistolen. Die Modelle mit automatischer Visierung sind recht selten und erzielen dementsprechende Preise.
Abmessungen:
Länge | Lauflänge | Höhe | Breite | Gewicht | Magazinkapazität | |
Modell 2 | 114 mm | 54 mm | mm | 25 mm | 276 g | 6 |
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