Robar & Cie, Melior Modell 1907
Vorbemerkung: Dieser Artikel basiert auf einer Artikelserie zu belgischen Taschenpistolen Melior und Jieffeco der Fachautoren Vaclav Friesen und Ed Buffaloe aus dem Jahr 2020, die im englischsprachigen Raum erschienen ist (Link). Ich hatte hierzu umfangreich zugearbeitet. Die Arbeit der beiden Autoren kann man getrost als die umfangreichste und beste Zusammenstellung bezeichnen, die es zu diesen Pistolen gibt. Spezielle Fachliteratur zu genau diesen Modellen existiert nicht.
Der nachfolgende Artikel beschäftigt sich zunächst allein mit dem Modell Melior 1907 und damit den Anfängen der Taschenpistolen des Herstellers L. Robar Fils & L. de Kerckhove, verkürzt bekannt auch unter Robar & Cie (Melior). In diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben darf die Firma Janssen & Fils, die als Generalvertretung für Robar & Cie deren Waffen in Belgien und auch im Ausland unter dem Handelsnamen Jieffeco vertrieb. Ein Artikel über Melior umfasst also immer zwangsläufig auch Jieffeco, da die Pistolen den gleichen Hersteller haben.
Patentzeichnung des österreichischen Patents 42397 von Henri Rosier vom 25. Juli 1908.
Die Werbeanzeige aus dem Stukenbrock Katalog von 1913 zeigt ein Modell 1907. Zu diesem Zeitpunkt war bereits das Modell 1911 auf dem Markt.
Geschichte der Robar & Cie
1906 gründeten Jean Loius Joseph Robar, sein Sohn Louis Servais Hubert Robar und Adrien Marie Joseph Ghilain Louis der Kerckhove die Waffenfabrik Robar Fils & Co in der 29 Rue Chéri in Lüttich.
Der Senior Jean Louis Robar starb 1912. Doch bereits 1910 hatte er seine Anteile an seinen Sohn übergeben, worauf der Firmenname in L. Robar Fils & L. de Kerckhove geändert wurde. 1914 registrierte Robar den Handelsnamen "Melior", lateinisch für "überragend". 1926 änderte die Firma den Namen in Robar & Cie. Das Unternehmen bestand bis 1972.
Bemerkenswert ist, dass Robar Fils & Co in unmittelbarer Nachbarschaft zur Firma von Charles Clement (37 Rue Chéri) lag. Die Unternehmer dürften sich also regelmäßig gesehen, beeinflusst und möglicherweise sogar gegenseitig ausgeholfen haben. Über Clement-Pistolen hatte ich bereits hier (Link) berichtet. Und man kann Melior- und Clement-Waffen eine gewisse stilistische Ähnlichkeit kaum absprechen.
Technik und Patente
Das Modell 1907 basiert auf Patenten von Henri Rosier. Im April 1907 erhielt er in Belgien ein Patent Nr. 199499 für eine in eine Selbstladepistole, das er im November 1907 ergänzte (Patent Nr. 204029). Dieses Patent ließ er umfangreich auch in anderen Staaten schützen, u.a. Schweiz, USA, Großbritannien und Österreich. Der Patentschutz für diese Patente wurde meist in 1908 anerkannt. Daher ist das Modell teilweise in der Literatur auch als Modell 1908 bekannt.
Der Patentanspruch bezieht sich auf eine Selbstladepistole mit festem Lauf und unverriegeltem Verschluss, dessen Verschlussstück sich frei in dem nach hinten vollständig offenen Verschlussgehäuse bewegt. Die Rückstoßenergie wird dabei vollständig von der Verschlussfeder aufgenommen. Ein Laufgehäuse umschließt den Lauf und dient als Aufnahme und Widerlager für die Verschlussfeder. Rosier löste damit das Problem, mit dem Charles Clement bei den Modellen 1902 und 1903 noch zu kämpfen hatte. Denn dort war das Gehäuse hinten geschlossen. Die Rückstoßenergie musste durch die Feder und Rahmen aufgenommen werden. Da diese zu schwach dimensioniert waren, kam es dort zu Verformungen.
Das Modell 1907 ist eine Selbstladepistole mit Masse-Verschluss und Schlagbolzenschloss im Kaliber 6,35 mm Browning. Der fest mit dem Griffstück verbundene Lauf des Modells 1907 wird von einem Laufgehäuse umschlossen. Im Laufgehäuse, oberhalb des Laufs liegt die Schließfeder. Eine Schließfederstange ist hinten in das Verschlussstück eingeschraubt. Das Gehäuse wird damit gegen den Druck der Schließfeder in seiner Position auf dem Verschlussgehäuse und dem Lauf gehalten.
Das aufwändig gearbeitete Verschlussstück enthält den gefederten Schlagbolzen und kann frei im Verschlussgehäuse gegen den Druck der Schließfeder nach hinten laufen. Der Schlagbolzenkanal ist nach hinten durch einen verstifteten Zylinder geschlossen. Der obere Teil des Verschlussstücks, in dem die Schließfederstange eingeschraubt ist, hat beiderseits 15 feine Griffrillen.
Die Abzugsstange verläuft auf der rechten Seite unterhalb der Griffschalen und liegt lose gegen den Abzugsstollen an. Die Stange läuft nach links schräg zu. Wird der Abzug betätigt, so drückt die Spitze den Abzugsstollen leicht nach oben und löst damit den Schlagbolzen aus. Gleichzeitig rutscht die Abzugsstange nach oben und liegt dann frei oberhalb des Abzugsstollens. Will man einen weiteren Schuss abgeben, so muss man den Abzug zunächst loslassen, so dass die Abzugsstange wieder in ihre ursprüngliche Position zurückfallen kann.
Der Sicherungshebel liegt auf der linken Seiten und wirkt unmittelbar auf den Abzugsstollen. Die Griffschalen sind aus Kunststoff mit einem feinen Fischhautmuster. Das Magazin fasst sechs Patronen und hat beiderseits fünf versetzte Löcher zur Füllstandkontrolle.
Varianten
Erste Pistolen haben auf dem Laufgehäuse auf der rechten Seite bereits den Schriftzug
MELIOR
Die Griffschalen tragen das Monogramm "R&K" (Robar & Kerckhove).
Mit Erteilung des britischen Patents 1908 wird die seitliche Beschriftung wie folgt ergänzt:
MELIOR
BREVETE S.G.D.G. PATENT 24875.08
Zunächst nutze Robar & Cie den Generalvertreter Moritz Magnus, bevor dann später Janssen Fils & Cie an diese Stelle trat. Daher finden sich auch Pistolen mit dem Monogramm "MM" auf der Griffschale.
Im Juli 1909 sichert sich die Firma Janssen Fils & Cie den Handelsnamen "Jieffeco" und übernimmt den Vertrieb der Melior-Pistolen auch unter eigenem Namen. Diese Pistolen Tragen auf den Griffschalen ein verschnörkeltes "JF" im Kreis als Monogramm. Die seitliche Beschriftung des Laufgehäuses lautet:
AUTOMATIC PISTOL JIEFFECO DEPOSE
- BREVETE S.G.D.G. PATENT 24875.08
Auf dem französischen Markt findet sich folgende Beschriftung:
PISTOLET AUTOMATIQUE JIEFFECO DEPOSE
- BREVETE S.G.D.G. PATENT 24875.08
Um Seriennummer 5000 wird der Auszieher leicht verändert. Frühe Auszieher sind am Ende leicht nach innen gebogen und werden damit in eine Aussparung im Verschlussstück eingesteckt. Der späte Auszieher liegt parallel am Verschlussstück an und hat eine runde Verdickung, die in korrespondierenden Fräsung im Verschlussstück zum liegen kommt. Diese Änderung erscheint parallel zum Aufkommen der Pistole im Kaliber 7,65 mm Browning.
Robar & Cie fertigte rund 12.000 Pistolen des Modells 1907, bevor dass Modell 1911 einführt wurde.
Abmessungen:
Modell | Länge | Höhe | Gewicht | Kaliber | Magazinkapazität |
1907 | 115 mm | 89 mm | 510 g | 6,35 mm Browning | 6 |
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