Heckler & Koch, Modell 4
Vorbemerkung: Heute ist der Name Heckler & Koch (HK) ein Synonym für Dienstpistolen und Sturmgewehre für polizeiliche und militärische Zwecke. Darüber hinaus bedient HK in größerem Umfang auch den zivilen Markt mit Sport- und Jagdwaffen. Mit diesem Artikel bewegen wir uns in die Anfänge der Firma und werfen einen Blick auf die erste Serienpistole, das Modell 4 (HK4), das 1968 auf den Markt kam. Grundlage für das Folgende ist ein Artikel, den ich zusammen mit meinem US Sammlerkollegen Ed Buffaloe im Jahr 2016 verfasst habe. Darüber hinaus empfehle ich das Buch HK Heckler & Koch, Die Pistolen 1952-1992 vom Fachautor Manfred Kersten.
Das Modell 4 (HK4) ist nicht etwa die vierte Pistole der Firma, sondern hat seinen Namen von der einfachen Lauf-Wechselmöglichkeit zwischen den Kalibern
.22 l.r., 6,35 mm Browning, 7,65 mm Browning und 9mm kurz. Die Idee der auswechselbaren Läufe ist nicht neu. Bereits 1934 hatte die Firma August Menz die "PB Spezial" herausgebracht, für die es austauschbare Läufe in 9mm kurz, 7,65mm Browning, .22 Zentralfeuer und 4mm gab. Zur Menz PB Spezial habe ich im Zusammenhang mit den Pistolen der Firma August Menz bereits hier berichtet.
Geschichte der Firma Heckler & Koch
Oberndorf am Neckar ist bereits seit dem frühen 19. Jahrhundert ein Zentrum der Waffenherstellung. Die von König Friedrich I. von Württemberg gegründete Waffenfabrik wurde 1897 zur Waffenfabrik Mauser AG und später zur Mauser-Werke AG. Nach der Teilzerstörung der Mauser-Werke durch einen alliierten Bombenangriff am 22. Februar 1945 und der französichen Besetzung, wurde wohl ab 1946 in geringen Umfang kurzzeitig wieder eine Waffenherstellung für Frankreich aufgenommen, aber dann schlussendlich wurde das Werk geschlossen. Drei ehemalige Mauser-Ingenieure, Edmund Heckler, Alex Seidel und Theodor Koch, wollten jedoch das Arbeitskräftepotenzial der ehemaligen Mauser-Mitarbeiter nutzen und ein metallverabeitendes Unternehmen eröffnen. Kern des neuen Unternehmens war das Ingenieurbüro Heckler, das Edmund Heckler 1948 gründete. Heckler und Theodor Koch wurden Partner und Hecklers Firma wurde am 28. Dezember 1949 zur Heckler & Koch GmbH. Alex Seidel trat 1949 bei. HK produzierte zunächst Teile für Nähmaschinen, Teile für Fahrräder, Haushaltsgeräte und Bürogeräte. Bald zog das Unternehmen in die ehemalige Kaserne des Reichsarbeitsdienstes auf dem Lindenhof in Oberndorf. 1952 wurden neue Fabrikgebäude errichtet und HK konzentrierte sich auf die Herstellung von Messgeräten und Werkzeugen, ab 1955 auch militärische Ausrüstung. 1955 trat Deutschland der NATO bei und die Bundeswehr wurde gegründet. 1958 dann erhielt HK den Auftrag zur Produktion des Sturmgewehr G3, als Standardwaffe der neuen deutschen Streitkräfte. Den damit einhergehenden Erfolg erlebte Edmund Heckler nicht mehr, er verstarb 1960. Ab 1964 begann HK dann auch mit der Entwicklung einer neuen Dienstpistole. Und da Alex Seidel bei Mauser an der HSc-Pistole mitgearbeitet hatte, war nun auch bei HK entsprechendes Know-How vorhaben. Im Ergebnis präsentierte HK 1968 das Modell HK4, dessen Produktion bis 1984 lief, bevor sie zugunsten der P7 K3 eingestellt wurde.
Technik und Patente
Die HK4 ist eine Selbstladepistole mit Feder-Masse -Verschluss, außenliegendem Hahn und einem SA/DA Abzug. Die Pistole besteht aus vier Hauptkomponenten: Verschlussstück, Lauf- und Verschlussfederbaugruppe, Griffstück und Magazin. Insgesamt sind es 45 Einzelteile.
Alex Seidel meldete für die HK4 zwei Patente an:
Der Sicherungsflügel der HK4 befindet sich links, hinten am Verschlusstück. In gesicherter Stellung wird der Schlagbolzen aus dem Schlagbereich des Hahns herausgeschwenkt. Zusätzlich wird der Schlagbolzen in Längsrichtung festgelegt. Die Magazinssicherung sperrt den Abzug, wenn das Magazin nicht vollständig eingerastet ist. Eine Verschlusssperre sperrt den Hahn solange das Verschlussstück nicht vollständig geschlossen ist. Zudem besitzt die Pistole einen Zerlegungsschutz und lässt sich nur in gesichertem Zustand auseinandernehmen.
Das Verschlusstück besteht aus Stahlblech und wurde im Tiefziehverfahren hergestellt. Frühe Verschlusstücke haben die Griffrillen seitlich eingefräst. Spätere haben aufgesetzte Seitenplatten aus Blech, die die Griffrillen tragen. Der Verschlusskopf ist induktiv eingelötet, die Stirnplatte wegen der Kaliberwechselmöglichkeit aufgeschraubt. Dazu ist der Schlagbolzen beweglich gelagert. Die Spitze ruht in der Stirnplatte, der zylindrische Teil in der Sicherungswalze. Beim Wechsel von Zentral- auf Randfeuerpatrone kann so der Schlagbolzen einfach in die entsprechende Bohrung der Stirnplatte eingefädelt werden.
Der gehämmerte Lauf besitzt sechs Züge und einen Rechtsdrall. Die Schließfeder ist mit dem Lauf fest verbunden, wohl auch um Verwechslungen beim Kaliberwechsel zu verhindern. Die Patronenlager der .22 l.r. Läufe weisen Entlastungsrillen auf, um eine einwandfreie Funktion zu gewährleisten. Die expandierenden Gase strömen im Schuss in diese Rillen, sodass die Hülse auf dem Gas "schwimmt" und sich so der Ausziehwiderstand verringert. Späte .22er-Läufe weisen diese Rillen nicht mehr auf. Offensichtlich war die Funktion auch ohne die Entlastungsrillen gegeben. Die Läufe in 9mm kurz haben hingegen eine Belastungsrille. Diese Funktion ist bereits bekannt durch die Taschenpistolen von Fritz Mann, über die ich bereits hier berichtet habe. Im Schuss dehnt sich hierbei die Hülse in die Rille aus, verstemmt sich damit im Patronenlager und erhöht den Ausziehwiderstand.
Das Griffstück der HK4 ist aus oberflächengehärtetem Leichtmetall und schwarz eloxiert. Es beinhaltet Abzug und Schlaghahn. Im vorderen Teil befindet sich ein Kunststoffpuffer zur MInderung des Rückpralls. Die einteilige Griffschale weist ein Fischhautmuster auf, sie ist aus Kunststoff und wird mittels einer einzelnen Schraube am Griffrücken fixiert. Frühe Griffschalen sind braun, spätere dann schwarz.
Die Magazine haben einen seitlichen Längsschlitz zur Ladestandskontrolle. Sie fassen acht Patronen bzw. sieben in 9mm kurz. Unten links ist die Kaliberangabe und das Fertigungsdatum aufgebracht. Verlängerungen bei Behördenwaffen im Kaliber .22 l.r. sind orange, um Verwechslungen zu vermeiden.
Die Pistolen wurden in einer schwarzen Kunststoffbox mit grüner oder roter Kunststoffeinlage geliefert. Später nutzte HK einfache schwarze Pappschachteln. Dazu kam eine Anleitung sowie ein Schraubenzieher für den Kaliberwechsel. Frühe Schraubendreher sind einfach aus Stahl, später kommt ein Spezialschraubendreher mit hohlem, durchsichtig, roten Griff, der eine Reinigungskette beinhaltet.
Varianten
Die Serienproduktion beginnt mit der Nummer 10001. Kersten schreibt, dass es im gerade im Bereich der ersten Waffen, die in den Handel kamen, noch einige kleinere Änderungen gab, bspw. beim Auswurffenster und der Form des Abzugsbügels. Grundsätzlich lassen sich aber zwei Varianten der HK 4 unterscheiden, die leicht am Verschlusstück erkennbar sind. Kersten schreibt, dass die Änderung von der ersten auf die zweite Variante bereits zwischen den Nummern 10330 und 10445 erfolgt sei. Allerdings liegt mir eine Waffe mit der Seriennummer 11717 vor, die noch alle Merkmale einer ersten Variante aufweist. Ich gehe daher davon aus, dass Kersten irrt und die Änderung erst mit späteren Seriennummern erfolgte. Die Pistole mit der Seriennummer 14078 ist jedenfalls bereits eine zweiten Variante. Ich bin für Hinweise zu Seriennummern von Pistolen der zweiten Variante dankbar, sollten diese substantiell kleiner als 14078 sein.
1. Variante
Die frühe HK4 verfügt über 18 flache Griffrillen beiderseits im hinteren Bereich des Verschlussstücks. Die Griffe sind aus braun melliertem Kunststoff mit einer leicht erhöhten Daumenauflage auf der linken Seite. Das Verschlussstück ist vorne mit einem stilisierten Schriftzug "Mod HK4" gestempelt. Mittig folgt die dreizeilige Beschriftung:
HECKLER & KOCH GMBH
OBERNDORF / N
MADE IN GERMANY
2. Variante
Die zweite Variante hat, zur Vereinfachung der Produktion, beiderseits des Verschlusstücks ein Blech mit aufgeprägten Griffrillen und einer zweizeiligen Beschriftung:
HECKLER & KOCH GMBH
OBERNDORF / N MADE IN GERMANY
Die Modellbezeichnung wandert nach hinten links ans Griffstück. Einige Waffen haben noch braune Griffe, wie der bei der ersten Variante, doch später wurden schwarze Kunststoffgriffe mit einem etwas anderen Design verwendet.
Die restriktiven Regelungen des Besatzungsstatus Berlins verboten es deutschen Herstellern Waffen nach Berlin zu liefern, weshalb HK mit einem französischen Hersteller kooperierte. Die Manufacture Nationale d'Armes de Saint Etienne (MAS) versah einige HK4 in den Jahren 1973/74 mit der eigenen Firmenbeschriftung und lieferte diese nach Berlin. Die Pistolen kamen später auf den zivilen Markt. Die Pistolen sind wie folgt gekennzeichnet.
MANUFACTURE NATIONALE D’ARMES
DE SAINT ETIENNE MAS
Die Waffen tragen die Seriennummer auf der Oberseite des Patronenlagers, was nur bei zerlegter Waffe sichtbar ist. Der Abzugsbügel trägt rechts den Stempel BUND. Die Pistolen kamen in Pappschachteln mit zwei Ersatzmagazinen. Auf der Vorderseite tragen sie einen grünen Streifenaufkleber mit MANUFACTURE NATIONALE D’ARMES
DE SAINT ETIENNE.
In den USA vertrieb unter anderem die Firma Harrington & Richardson (H&R) die HK4. Diese Pistolen tragen als Beschriftung auf dem Griffstück:
Harrington &Richardson Inc.
Worcester, Mass: USA
Made In Germany
1971 importierte H&R zum 100-jährigen Firmenjubiläum eine Sonderedition der HK4. Beiderseits der Beschriftung stehen die Jahreszahlen 1871 (links) und 1971 (rechts). H&R lieferte die Pistole standardmäßig im Kaliber 9mm kurz mit einem Wechsellauf in .22 l.r. Die ersten 2.000 Waffen, Seriennummern HR00001 bis HR02000, wurden mit goldenem Abzug und vergoldeten Seitenplatten in einer mit rotem Samt ausgekleideten Holzschatulle geliefert. Die Pistolen mit den Nummern HR02000 bis HR08700 entsprechen der zweiten Variante, also schwarze Seitenplatte und schwarzer Abzug.
Der eigentliche Importeur von HK-Waffen in die USA war die Firma Security Arms Co in Arlington, Virginia. Die importierten Waffen tragen daher vorne rechts am Griffstück folgende Kennzeichnungen:
SACO ARL VA
oder
SACO ARL VA 22201
oder
HK INC ARL VA 22201
oder
HK INC Va
Nachdem, ab 1978, HK eine eigene Zweigniederlassung mit Sitz in Chantilly, Virginia, eröffnet hatte, trugen die dorthin exportierten Pistolen vorne rechts folgende Markierung:
HK CHANTILLY Va
HK warb damit, dass die Produktion der HK4 aufgrund des Tiefziehverfahrens des Verschlusstücks sehr kosteneffizient sei. In der Tat war die Preisgestaltung der Pistole ziemlich interessant. 1968 kostete eine HK4 in 7,65 mm Browning 187 DM. Ein Walther PPK kostete 280 DM, war also mehr als ein Drittel teurer. Und auch eine Mauser HSc kostete 1969 immerhin 240 DM. Die HK4 war der Konkurrenz also kostenmäßig weit überlegen. Die Wechselläufe kosteten jeweils 50 DM. Man kann diese Preise durchaus als Kampfansage an die Konkurrenz verstehen. Allerdings kostete die HK4 1971 dann bereits 245 DM, mit allen Wechselläufen 360 DM.
Laut Kersten läuft der zivile Seriennummernbereich von 10001 bis 36550. Damit wurden rund 26.550 HK4 gefertigt. Darüber hinaus fertigte HK 12400 Pistolen für den behördlichen Bereich, vornehmlich Zoll, im Seriennummernblock 40001 bis 52400. Diese Pistolen sind vorne rechts am Abzugsbügel mit "BUND" gestempelt. Die unter dem Label von MAS gefertigten Waffen liegen im Bereich 51566 bis 52120, also 555 Stück. Für den US-Markt, vertrieben durch Harrington & Richardson, wurde ein eigener Block HR00001 bis HR08700 vorgesehen.
Gesamt enstanden somit rund 48.200 Waffen.
Vergleich von Mauser HSc (oben) und HK4 (unten).
Patentzeichnung des Patents DE1205425 zur Stirnplatte des Verschlusskopfs.
Stirnplatte zum Verschlusskopf. Beim Kaliberwechsel wird einfach die Stirnplatte gedreht und der Schlagbolzen durch die entsprechende Bohrung geführt. "R" steht für Randfeuer, "Z" für Zentralfeuer.
Wechsellauf im Kaliber .22 l.r. für Behörden. Das Magazinboden ist orange. Die Schließfeder ist fest mit dem Lauf verbunden.
Kunststoffpuffer zur Minderung des Rückpralls.
Patronenlager einer 9mm kurz mit Belastungs- (links) und einer .22 lr mit Entlastungsrillen (rechts)
Schnittzeichnungen der Bedienungsanleitung zeigen unterschiedliche Konstruktionsstände.
Kennzeichnung des US-Importeurs. Der unkenntlich gemachte Schriftzg BUND am Abzugsbügel deutet auf eine ehemalige Behördenwaffe hin.
Die kräftige Schraubenfeder unterstützt gleichzeitig den Schlaghahn und den Magazinhalter
Abmessungen:
Länge | Lauflänge | Höhe | Breite | Gewicht | Magazinkapazität | |
HK4 | 157 mm | 85 mm | 110 mm | 32 mm | 480 g | 7/8 |
Copyright © All Rights Reserved