EUSTA Modell P7 und P9, Schiederwerk Nürnberg
Vorbemerkung: Die EUSTA Taschenpistolen P7 und P9 sind ein Mysterium. In der Literatur findet man kaum etwas darüber und augenscheinlich sind diese Waffen auf dem Sammlermarkt auch recht selten zu finden bzw. werden selten angeboten. Umso spannender ist es, wenn man endlich ein Realstück in den Händen halten kann, was den Ausschlag für weitere Recherchearbeit gab. Pawlas bspw. listet die EUSTA P9 in seinem Pistolenatlas, Ausgabe Nr. 9, auf. Doch da es sich bei Pawlas im Wesentlichen nur um eine Sammlung von technischen Datenblättern handelt, ist dort einzig der gelistete Hersteller "Schieder-Werk" von größerem Interesse. Mit etwas Recherchearbeit fand sich dann noch ein Artikel von Horst Eckstein und David Schiller mit dem Titel Eine unbekannte Größe im Waffenmagazin VISIER, Ausgabe 2/96. Die in diesem Artikel dargestellten Informationen stützen sich im Wesentlichen auf den VISIER-Artikel, eigene Recherchen zur - immer noch existenten - Firma Schiederwerk GmbH und Beobachtungen an den Realstücken.
Geschichte der Schiederwerk GmbH
Die heutige Schiederwerk GmbH wurde am 21. Juli 1919 von Karl Schieder in Nürnberg als mechanische Werkstatt angemeldet und produzierte fernmeldetechnische Anlagen für die Deutsche Reichspost und die Deutsche Reichsbahn sowie fernmeldetechnisches Zubehör. Im 2. Weltkrieg wurde das Werk durch Bombenangriffe zerstört und - nach einer Zwischenverlegung nach Marktredwitz - ab 1948 in Nürnberg wieder aufgebaut. Neben Fernmeldetechnik erschloss das Schieder in den 1970er Jahren als neue Geschäftszweige Überspannungsschutz sowie Überwachungs- und Prüftechnik. Heute ist die Schiederwerk GmbH - nach eigener Auskunft - ein führender Anbieter für kundenspezifische Stromversorgungen.
Man könnte meinen, dass dies eine bruchfreie und klare Linie einer über 100-jährigen Firmengeschichte ist, wäre da nicht der Waffenbau. Denn Waffen waren bis Anfang der 1970er Jahre ein ebenso florierender Geschäftszweig der damaligen Karl Schieder KG. Dazu muss man wissen, dass der "Neustart" 1948 mit einem breiten Portfolio aus Fernmeldetechnik, Metall- und Stanzwaren sowie Feuerzeugen gelang. Mit dieser fertigungstechnischen Expertise war der Schritt zum Waffenbau Ende der 1950er bis Anfang der 1970er war also gar nicht weit. Schieder nutzte hierzu den Handelsnahmen EUSTA.
Diejenigen, die sich mit Westernwaffen, wie bspw. Derringer, Revolver und Pistolen beschäftigen, haben möglichweise bereits ohne es zu wissen ein Schieder-Produkt in den Händen gehalten, z.B. "Lord-" und "Lady-Derringer" im Kaliber .22 kurz. Dem Firmennamen Schieder dürften dabei die wenigsten begegnet sein. Diese relative Unbekanntheit hängt wohl auch damit zusammen, dass Schieder vornehmlich für den US-Markt produzierte und teilweise nicht einmal ein eigenes Waren- oder Firmenzeichen auf den Waffen anbrachte.
Mit den US-Importbeschränkungen infolge des Gun Control Act 1968 erkannte die Schieder KG spätestens ab 1970/71, dass der Markt für günstige Gebrauchs- und Freizeitwaffen austrocknete. Das bundesdeutsche Waffengesetz vom Januar 1973 tat sein Übriges und Schieder stiegt spätestens 1975 aus dem Waffenbau aus. Die Produktionsunterlagen wurden weitgehend vernichtet.
Die EUSTA Modelle P7 in 7,65 mm Browning und P9 in 9mm kurz entstanden um 1969, wurden nur kurz in sehr kleinen Stückzahlen produziert und verschwanden spätestens 1970/71 wieder vom Markt. Darüber hinaus ist auch ein Prototyp im Kaliber .22 lr bekannt.
Technik
Die EUSTA Pistolen P7 und P9 haben einen einfachen Masseverschluss im Stil der damals bereits bekannten Reck und Röhm Pistolen. Sie ist aber für eine Taschenpistole recht wuchtig ausgeführt und ahmt wohl eher die größeren Modelle wie Walther PP, Ortgies oder Mauser HSC nach.
Die EUSTA besitzt ein Schlagbolzenschloss. Der Abzugsstollen wird über eine auf der linken Seite unter der Griffschale liegende, dreiarmige Abzugsstange angesteuert. Die Rückstellung dieser Abzugsstange erfolgt über eine mittig angebrachte Schraubenfeder. Die Abzugsstange wird dabei über eine Steuerkurve im Verschlussstück so lange nach unten gedrückt und damit vom Abzugsstollen entkoppelt, bis der Verschluss vollständig geschlossen ist. Der Lauf der EUSTA ist fest mit dem Griffstück verbunden und liegt vorne frei. Das Verschlusstück wird - ähnlich wie bei den Menz Liliput Pistolen - über ein hantelförmiges Passtück hinten, mittig auf dem Griffstück geführt. Man kennt diese Ausführung von anderen Pistolen dieser Zeit, wie bspw. die Reck P8. Das Passtück steht unter Federdruck und wird durch einem auf der rechten Seite gelegenen Stift gehalten. Dieser Stift ist durch ein Loch im Verschlussstück zu erreichen. Drückt man den Stift ein, so springt das Passstück nach hinten aus dem Verschlusstück und man kann das Verschlusstück leicht vom Griffstück abheben. Der gefederte Auszieher befindet sich rechts am Verschlussstück. Die auf der linken Seite oberhalb des Abzugs angebrachte Hebelsicherung sperrt den Abzug in seiner Position.
Die Griffschalen sind recht volumig und sind dazu hinten hohl gearbeitet und werden jeweils mittels zweier Schrauben am Griffstück befestigt. In der Mitte der linken Griffschale findet sich ein rautenförmiges Emblem mit dem Schriftzug EUSTA. Die Visierung bestehend aus Kimme und Korn ist schmal und baut hoch auf, was ein gewöhnungsbedürftiges Visierbild erzeugt.
Die Oberfläche der Pistole ist tiefschwarz lackiert. Das Magazin besitzt seitlich drei längliche Sehschlitze zur Füllstandskontrolle.
Die Schlittenbeschriftung linksseitig lautet:
EUSTA Mod P9 Cal 9mm short W. Germany
bzw.
EUSTA Mod P7 Cal. 7,65 mm W. Germany
Die Pistole wurde in einer Kunststoffschatulle mit grüner Einlage sowie Anleitung ausgeliefert.
Produktionszahlen der EUSTA Pistole sind unbekannt. Es dürften jedoch nur wenige hundert Stück entstanden sein.
Technische Daten
EUSTA Modell P7 im Kaliber 7,65 mm Browning.
Quelle: Hermann Historica
Abzugsstange und herausstehendes Passstück.
Höhe | 118 mm | Kaliber | 7,65 mm Browning, 9mm kurz |
Breite | 26 mm | Gewicht | 700 g |
Länge | 159 mm | Magazinkapazität | 7 Patronen |
Lauflänge | 80 mm | Griffschalen | Plastik |
Copyright © All Rights Reserved