Theodor Kommer, Taschenpistolen Modell 1, 2 und 3


Theodor Kommer und gründete 1889 in Zella-Mehlis im Alter von nur 23 Jahren eine Waffenfabrik. Bekannt wurde er vor allem für seine Scheibenpistolen. Doch wie so viele Hersteller, wollte sich Kommer in den 1920er Jahren dem rasant wachsenden Markt für kleine Selbstladepistolen im Kaliber 6,35 mm Browning nicht verschließen. Und so präsentierte er 1920 eine 9-schüssige Taschenpistole im Kaliber 6,35 mm Browning. Erste Werbeanzeigen hierfür finden sich im Januar 1921. Ab Januar 1923 bot Kommer zwei neue 7- und 9-schüssige Selbstladepistolen im Kaliber 6,35 mm Browning als „Modell 2“ und „Modell 3“ an. Wohl aus diesem Grund ist die Kommer-Pistole von 1920 in der Literatur als „Modell 1“ bekannt. Zeitgenössische Quellen bezeichnen sie jedoch stets als „9-schüssige Kommer-Pistole“. 1936 stellte Kommer eine Pistole im Kaliber 7,65 mm Browning als „Modell 4“ vor, die äußerlich stark an die FN 1910 erinnert. Diese Pistole ist aber nicht Gegenstand dieses Artikels.

Kommer macht es dem Sammler nicht einfach. Eine Herausforderung bei Kommer Pistolen ist, dass viele Waffen keine Serien- sondern lediglich interne Montagenummern tragen. Oft weisen die Pistolen auch keinen Beschuss auf. Und so kann geschlossen werden, dass es Kommer mit seinen Selbstladepistolen nicht allzu genau nahm, und dass obwohl er eigentlich einen hervorragenden Ruf in Zella-Mehlis genoss. Theodor Kommer engagierte sich bis zuletzt im Unternehmen. So berichtet es zumindest die Zeitschrift „Der Waffenschmied" im November 1939 anlässlich des 50-jährigen Firmenjubiläums.


Theodor Kommer starb 1942. Sohn Paul führte das Unternehmen vermutlich fort, denn bereits 1940 hatte Kommer ihm ein testamentarisches Vorkaufsrecht auf Wohnhaus und Werkstatt eingeräumt. Im Deutschen Waffenjournal (03/1991) berichtet der Autor Siegfried Boers nach Zeitzeugeninterviews, dass die Waffenproduktion 1940 endete und die Waffenfabrik Kommer vor allem Lohnarbeiten für das in Zella-Mehlis ansässige Wälzlagerwerk Carl Reich vornahm. Diese Geschichte wird dadurch gestützt, dass sich nur noch bis Anfang 1940 Werbenanzeigen für Kommer Pistolen finden lassen. Danach verliert sich die Spur. Mit der sowjetischen Besatzung, so Boers, sei der Betrieb eingestellt und später nicht wieder aufgenommen worden. Boers schreibt weiter, dass die Witwe eines ehemaligen Kommer-Kompagnons nach dem Krieg die verbliebenen Firmenunterlagen eigenhändig verbrannt habe.

Wohl auch deshalb ist über die Waffenfabrik Kommer wenig bekannt. Mein Dank gilt daher besonders dem Sammlerkollegen Friedrich Müller, der mir im Zuge der Recherche zu diesem Artikel Ablichtungen von Originaldokumenten sowie seine Datensammlung zu Kommer-Pistolen zur Verfügung stellte.


Der zeitgenössiche Autor Gerhard Bock widmet Kommer in seinem Buch "Taschenpistolen und ihr Gebrauch" von 1941 nur einen schmalen Absatz. Er schreibt: "Auch die Firma Theodor Kommer, die besonders durch ihre Scheibenpistolen bekannt geworden ist [...] stellt Selbstladepistolen mit Federverschluss im Kaliber 7,65 mm und 6,35 mm her. [...] Konstruktiv bilden diese Modelle keine Besonderkeiten." Dies wird Kommer aber nicht gerecht. Immerhin sind die Kommer Pistolen hervorragend verarbeitete Waffen, die sich in ihrer Zeit gegen eine große Konkurrenz in einem eng umkämpften Markt durchsetzen konnten: Haenel Schmeisser, Walther Modell 5, Dreyse, Lignose, Sauer&Sohn, Mauser, Mann uva.


Die Technik

Der Waffenschmied vom 25. Januar 1921 berichtet, dass Kommer unter der Registernummer 765340 ein Gebrauchsmuster mit dem Titel "Abzugsvorrichtung für automatische Pistolen" zuerkannt wurde. Eine Suche über das Deutsche Patent- und Markenamt ergab, dass die zugehörigen Unterlagen vernichtet wurden und lediglich der originale Eintrag in der Gebrauchsmusterrolle vorliegt. Frühe Modell 1 tragen noch keinen Hinweis auf den Musterschutz, später findet sich sporadisch der Hinweis D.R.G.M.

Beim Modell 1 und bei frühen Modell 2 und 3 sind die Abzugsmechanismen identisch. Der Abzug geht in eine auf der linken Waffenseite gelegene, gabelförmige „Arretierstange“ über. Diese hat die Form eines Maulschlüssels und liegt mit dem unteren Zinken leicht an einer Nase der Abzugsstange an. Mit Betätigung des Abzugs schiebt der Zinken die Nase nach hinten und senkt darüber den Abzugsstollen. Der Schuss bricht. Sodann rutscht die Gabel an der Nase vorbei, der gefederte Abzugstollen hebt sich wieder und fängt den Schlagbolzen. Lässt man den Abzug los, stellt die Arretierstangenfeder die Stange in die alte Position zurück, sodass sie wieder mit dem Zinken an der Nase anliegt.

 

Kurz nach Produktionsbeginn wird der Abzugsmechanismus verändert und bereits mit Seriennummer 911 findet sich eine T-förmig ausgebildete Arretierstange. Der untere Zinken der Gabel liegt nun vollflächig gegen die Nase der Abzugsstange. An der Unterseite des Schlittens befindet sich eine Ausfräsung. Hier greift der nach oben laufende Steg der Arretierstange ein und nur bei vollständig geschlossenem Verschluss kommt der Zinken der Gabel an der Abzugsstage zu liegen. Andernfalls drückt der Schlitten die Stange von der Nase des Abzugsstollens weg. Kommer hat mit der T-förmigen Ausbildung der Arretierstange also eine zusätzliche Sicherheit eingebaut, sodass die Entkopplung von Arretierstange und Abzugsstange sicher, d.h. zwangsgesteuert, funktioniert.

Kommer beabsichtigte wohl zunächst, die Abzugsvorrichtung seiner Modelle 2 und 3 mit einem Patent zu schützen, denn frühe Modell 2 tragen die Beschriftung "D.R.P. Ang.". Ein entsprechendes Patent war jedoch nicht zu finden. Offensichtlich war die Patentanmeldung auch nicht erfolgreich, den auf späteren Waffen findet sich wieder der Hinweis D.R.G.M. Ob sich dies auf das alte Gebrauchsmuster von 1921 bezieht oder ob ein neues Gebrauchsmuster zuerkannt wurde ist nicht bekannt.

Das Modell 1 hat ein Schlagstückschloss. Der Lauf ist mit zwei Ringwarzen versehen, die in zwei im Griffstück gelegenen Nuten gelagert sind, und er kann mit einer Drehbewegung gelöst werden. Die Modelle 2 und 3 haben, neben der etwas gefälligeren Form und veränderten Griff-Ergonomie, als wesentliche Neuerung ein Schlagbolzenschloss (Bild 4). Im Gegensatz zum Modell 1 besitzt der Lauf des Modells 2 und 3 drei Ringwarzen.

Um die Pistole zu zerlegen sichert man den Schlitten zunächst mit dem Sicherungsflügel in der Zerlegerast. Dann dreht man den Lauf um 90 Grad nach rechts, löst damit den Lauf aus seiner Position. Die Warzen werden im Auswurffenster sichtbar. Sodann nimmt dann das gesamte Verschlussstück mit Lauf nach vorne vom Griffstück ab.


Der Lauf des Modells 2 und 3 ist im vorderen Bereich verdickt und kordeliert, um so eine bessere Griffigkeit für die Demontage zu erreichen. Die Federführungsstange aller drei Modelle ist nach hinten mit einem Kopf verdickt und greift zum Patronenlager hin ins Griffstück ein. Vorne hat der Schlitten unter der Laufbohrung einen Quersteg mit einer Bohrung, in die das dünnere Ende der Stange eingreift.

Die Griffschalen des Modell 1 sind aus Horn. Im oberen Drittel haben sie einen Kreis, signiert mit TK oder TH.K. Die Griffschalen der Modelle 2 und 3 sind aus Hartgummi. Im oberen Drittel haben sie ein Oval signiert mit TK oder Th.K.. Späte Modell 2 zeigen den Schriftzug KOMMER.


Werbeanzeige für die Kommer Modell 1, Waffenschmied vom 25. Januar 1922

Werbeanzeige für die neuen Kommer Modell 2 und 3, Waffenschmied vom 25. Januar 1923

Explosionszeichnung einer Kommer Modell 2 aus dem WUM-Katalog von 1932. Hier noch mit der frühen, gabelförmigen Arretierstange (Teile-Nr. 12).

Vergleich der Arretierstangen. Oben Modell 1, Mitte frühes Modell 2, unten spätes Modell 2

Die Beschriftungsvarianten

Die Markierungen an Kommer Pistolen variieren stark und lassen sich aufgrund der teils fehlenden Nummerierung zeitlich nicht 100% zuordnen.

Beim Modell 1 finden sich auf der linken Schlittenseite folgende Beschriftungen:

„KOMMER“ SELBSTLADEPISTOLE CAL 6,35

„KOMMER“ SELBSTLADE-PISTOLE CAL 6,35

Ebenso finden sich Pistolen ohne Schlittenbeschriftung. Auf dem Griffstück vorne links steht in Serifenschrift "Kommer" tlw. ergänzt um D.R.G.M.


Auf der linken Seite des Schlittens der Modelle 2 und 3 finden sich verschiedene Beschriftungsvarianten:

Th. Kommer, Waffenfabrik Zella-Mehlis Th.

"KOMMER" SELBSTLADE-PISTOLE CAL 6,35

"KOMMER" SELBSTLADEPISTOLE CAL. 6,35

"KOMMER" PISTOLE CAL 6,35

"KOMMER" PISTOLE CAL. 6,35

"KOMMER" PISTOLE CAL. 6,35 D.R.G.M.

Auf der linken Seite des Griffstücks finden sich zunächst D.R.P.Ang., später D.R.P.a,, dann D.R.G.M., sofern nicht in der Schlittenbeschriftung aufgeführt, oder gar keine Beschriftung.

Oben auf der Laufschiene steht: Th.Kommer Waffenfabrik Zella-Mehlis II bzw. später Th.Kommer Waffenfabrik Zella-Mehlis, bzw. vereinzelt auch gar eine Beschriftung. Möglicherweise ist die Beschriftung der Schlittenoberseite ein Weg der Datierung der Kommer Pistolen, denn bis 1926 firmiert die Waffenfabrik Kommer unter der Adresse Zella-Mehlis II, ab 1927 dann unter Zella-Mehlis. Das würde sich auch weitgehend mit den dokumentierten Kommer Pistolen decken, bei denen die späten Modelle in der Regel nur Zella-Mehlis tragen.

Die beiden Kommer Modelle 2 und 3 wurden vermutlich in einem gemeinsamen Seriennummernbereich nummeriert. Die höchsten bekannte Nummer eines Modell 2 ist 16197, die eines Modell 3 ist 16855. Interessant ist, dass eine nicht unerhebliche Zahl an Waffen noch nach Kriegsbeginn produziert wurde. Ab etwa Seriennummer 10000 finden sich Waffen, die nun als Beschussmarke Adler und N aufweisen.

Die Pistolen kamen in einer bräunlichen Pappschachtel mit Anleitung und Bürste.


Produktionszahlen

Die höchste bekannte Seriennummer eines Modell 1 ist 1333. Die Modelle 2 und 3 wurden in einem eigenen, gemeinsamen Seriennummernbereich nummeriert. Die höchste bekannte Nummer für ein Modell 2 ist 16197, die eines Modell 3 ist 16855. Über die tatsächlich produzierten Waffen kann angesichts der Datenlage keine belastbare Schätzung abgegeben werden. Interessant ist, dass bei den Modellen 2 und 3 ab etwa Seriennummer 10000 nur noch der Beschuss Adler N zu finden ist. Kommer produzierte also vermutlich noch einige tausend Waffen nach 1939/40 oder ließ Lagerbestände erst dann beschießen.


Abmessungen


Länge

Lauflänge

Höhe

Breite

Gewicht

Magazinkapazität

Seriennummern-bereich

Modell 1

112 mm

52 mm

92 mm

24 mm

360 g

8

1 - 1333 (?)

Modell 2

110 mm

51 mm

78 mm

22 mm

355 g

6

1 - 17.000

Modell 3

110 mm

51 mm

92 mm

22 mm

385 g

8

1 - 17.000

Werbung aus dem Carl Bauer Katalog
Im Angebot: das Modell 1. Mit 288,- RM war die Kommer sogar teurer als die Konkurrenz von Walther, Mauser oder Sauer&Sohn.
Kommer Model 1
Kommer Modell 1 ohne Seriennummer.
Kommer Modell 2
Sehr frühe Kommer Pistole Modell 2.
Kommer Modell 2
Bereits nach wenigen hundert weiteren Modell 2 hat sich die Schlittenbeschriftung geändert. Das D.R.P. ang. auf dem Griffstück ist dem Zusatz D.R.G.M. auf dem Schlitten gewichen.
Kommer Modell 3
Die Seriennummer "73" befindet sich hinten im Bereich der Sicherung. Ungewöhnlich.
Die Schlittenbeschriftung ist ohne Hinweis auf einen Schutz und spricht deshalb eher für eine späte Pistole. Dies gilt auch für die Beschriftung auf der Oberseite.
Kommer Modell 3
Eine späte Kommer Modell 3. Der Beschuss erfolgte bereits mit N Reichsadler, also ab 1939/40 und damit fast zum Ende der Tätigkeit.
Schachtel Modell 2
Oberseite einer Schachtel einer Modell 2
Schachtel Modell 3
Das Design unterscheidet sich von der Schachtel des Modells 2.
Schachtel Innenansicht
Auf der Innenseite des Deckels findet sich eine Zerlegeanleitung, die aber ganz klar nur für ein Modell 3 funktioniert.
Kommer Modell 2 Oberseite
Die Oberseite dieser sehr frühen Modell 2 trägt keine Beschriftung.
Kommer Modell 2 Oberseite
Diese frühe Kommer Modell 2 trägt die Beschriftung: Th.Kommer Waffenfabrik Zella-Mehlis II
Kommer Modell 3 Oberseite
Dieses Modell 3 trägt die Beschriftung Th.Kommer Waffenfabrik Zella-Mehlis.
Kommer Modell 3 Oberseite
Diese späte Kommer Modell 3 ist mit Th.Kommer Waffenfabrik Zella-Mehlis beschriftet.
Vergleich Modell 1 und Modell 2
Vergleich der Griffstücke. Oben Modell 1, unten Modell 2.
Kommer Modell 2 früh
Eine zerlegte, frühe Kommer Modell 2. Die Waffe hat lediglich im inneren des Griffstücks eine Werknummer "24" aber keine außen angebrachte Seriennummer. Deutlich sichtbar die gabelförmige Arretierstange.
Kommer Modell 2 zerlegt
Eine zerlegte Kommer Modell 2 mit Seriennummer unter 1000. Jetzt zu sehen die T-förmige Arretierstange.
Vergleich Läufe Modell 1 und 2
Unten der Lauf eines Modell 1 mit zwei Warzen.
Griffschalen-Embleme
Verschiedene Griffschalen-Embleme von Kommer. Oben Modell 1. Darunter Modelle 2 und 3.
Mietvertrag
Theodor Kommers Mietvertrag mit seinem Sohn Paul vom Oktober 1940. Kommer ist mittlerweile 74 Jahre alt.
Ausweis Kommer
Kommer erhält noch im Jahr 1941 einen neuen Ausweis. Als äußeres Kennzeichnen wird ein amputierter linker Unterarm angegeben.