Fabrique Nationale d'Armes de Guerre (FN), Modell 1900
Vorbemerkung:
Das Modell 1900 und der Vorgänger 1899 sind die Urväter der Taschenpistolen und der Eintritt von John Moses Browning auf dem europäischen Markt. Eine hervorragende Geschichte und hintergründe hierzu liefert der hervorragende Doppelband FN Browning Pistols - Sidearms That Shaped The World History von Anthony Vanderlinden, das eine "Pflichtlektüre" für alle an FN interessierten Sammler sein sollte. Die Informationen in diesem Artikel basieren im Wesentlichen auf Vanderlindens Büchern, weiterführender Literatur, Patenten und eigenen Beobachtungen.
Geschichte der Fabrique National d'Armes de Guerre
Die Firma Fabrique Nationale d'Armes de Guerre (FN) wurde am 3. Juli 1889 als Konsortium verschiedener Anteilseigner aus der Waffenbranche zur Erlangung und Abarbeitung eines großen belgischen Armeeauftrags über 150.000 Repetiergewehre gegründet. Zu den Gründern gehörten bekannte Namen wie Henri Pieper oder Auguste Francotte und nur wenige Tage nach Gründung erhielt FN den Zuschlag für den Armeeauftrag. Ende 1894 war der Auftrag abgearbeitet und FN hatte weltweit einen hervorragenden Ruf. 1896 erwarb die deutsche Ludwig Löwe & Co., zu der auch die Mauser Waffenwerke gehörten, Mehrheitsanteile von FN und arbeite nun konsequent daran, die belgische Konkurrenz im Militärwaffenbereich zu marginalisieren. Aufgrund der mangelhaften Auslastung erweiterte FN seine Produktpalette um Zivilwaffen und Fahrräder. Über letztere kam die Firma in Kontakt mit John Moses Browning und so folgte ab Juli 1897 eine Zusammenarbeit im Waffenbau, bei der FN Browningkonstruktionen in Lizenz herstellte. Erste Modelle des Typs FN 1899 wurden als "Pistolet Automatique Browning" im Januar 1899 produziert und verkauft. Parallel fanden Versuche beim belgischen Militär statt und alsbald führte man das Modell 1900, Belgian Military, ein. Dieses Militärmodell war in den Abmessungen etwas größer als das Modell 1899. Die Aufrechterhaltung von zwei Produktionslinien von annähernd ähnlichen Waffen, zudem bei steigendem Bedarf auf dem zivilen Markt, führte dazu, dass FN die Produktion vereinheitlichte. Das Modell FN 1900 wurde geboren.
Technik und Patente
Als Browning 1897 zu FN kam, hatte er eine ganze Reihe seiner Erfindungen und Patente im Gepäck. Mit Blick auf das Modell 1900 stellt das US-Patent 621747 den letzten Stand der Entwicklung dar.
Browning sichert sich darin die Rechte an einer Selbstladepistole, bestehend aus Griff- und Verschlussstück sowie einem Gleitstück. Verschlusstück und Gleitstück sind über zwei Schrauben miteinander verbunden. Die Schließfeder ist über eine Stange mit dem Gleitstück gekoppelt. Das Verschlussstück wird über den fest mit dem Griffstück verbundenen Lauf geführt und hält gleichzeitig die Schließfeder in einer separaten Röhre über dem Lauf. Durch Zurückziehen und Vorschnellenlassen des Gleitstücks wird eine Patrone zugeführt und der Schlagbolzen gespannt. Der Abzug ist über eine Abzugsstange mit dem Abzugsstollen verbunden. Besonders ist, dass die Schließfeder gleichzeitig auch den Schlagbolzen antreibt. Dazu ist die Schließfederstange mit einem beweglich am Gleitstück befestigten Spannhebel gekoppelt, der in den Lauf des Schlagbolzens eingreift. Wir eine Patrone abgefeuert, so bewegt sich das Gleitstück nach hinten und nimmt dabei mit dem Auszieher die leere Patronenhülse mit nach hinten bis diese an einem Ansatz im Gehäuse, das als Auswerfer dient, anprallt und nach rechts durch die Öffnung des Gleitstücks ausgeworfen wird. In der Rückwärtsbewegung des Gleitstücks wird die Abzugsstange nach unten gedrückt und vom Abzugsstollen entkoppelt. Die Verbindung wird erst wieder hergestellt, wenn der Verschluss wieder ganz geschlossen und die Stange sich in den zugehörigen Ausnehmungen des Verschlusstücks wieder in ihre ursprüngliche Lage bewegen kann. In der Vorwärtsbewegung des Gleitstücks fängt der Abzugsstollen wieder den Schlagbolzen. Gleichzeitig zeigt der in der Visierlinie liegende Spannhebel an, dass die Waffe gespannt ist.
Die Griffschalen werden mit einem Schraubengegenstück im Griffstück verspannt.
Frühe Magazine weisen keinerlei Beschriftung auf. Erst ab 1912 weisen die Magazine das FN Logo auf der linken Seite auf.
Varianten
Es finden sich verschiedene Schlittenbeschriftungen:
1900-1903
FABRIQUE NATIONALE HERSTAL LIEGE (BROWNING'S PATENT)
BREVETE S.G.D.G.
Um 1903 bis 1906 wurde für die Beschriftung eine Serifenschrift verwendet.
Nachdem sich FN den Handelsnamen "Browning" schützen ließ, wurde ab 1907 bis 1914 folgende Beschriftung gewählt.
Ebenso erscheint im gleichen Zeitraum 1907-1914 eine kleine Variante der Beschriftung.
Werbeanzeige für die FN 1900 im Stukenbrok Katalog 1913. Die Standardvariante kostet 40 Mark. Eine vernickelte, gravierte Pistole mit Perlmuttgriffschalen kostet 70 Mark.
Der Bezeichnung des Sicherungshebels konnte durch die Kunden in der entsprechenden Sprache geordert werden. So existieren die Beschriftungen FEU/SUR, FEUER/SICHER oder FIRE/SAFE, wobei letztere die seltenste Variante ist.
Frühe Griffschalen zeigen oben eine Pistole mit einem stilisierten FN im Oval. Ab 1906 folgten Griffschalen mit einem stilisierten FN im Oval.
Das Modell 1900 bleib bis zur deutschen Besatzung im August 1914 in Produktion. 1917 lief der Patentschutz für die Pistole aus. Dennoch setzte FN die Produktion des Modells 1900 ab 1919 wieder fort, wenngleich auch unter Schwierigkeiten aufgrund Ressourcen- und Rohstoffknappheit. Die letzten Pistolen um Seriennummer 7211xx wurden im Oktober 1920 versandt. Die Gesamtproduktion belief sich auf rund 724.550 Pistolen.
Das Modell 1900 war standardmäßig brüniert mit schwarzen Hartgummi-Griffschalen.
Es wurden aber auch vernickelte und/oder werksgravierte Pistolen angeboten. Dazu gab es Perlmutt- oder Elfenbein Griffschalen. Insgesamt sechs verschiedene Gravurmuster waren erhältlich, wobei nicht jedes Muster mit Nickel kombiniert werden konnte. Eine Verkaufsanzeige aus dem August Stukenbrok Katalog von 1913 zeigt, dass der Preis der Luxusvarianten gut 80% über dem des Standardmodels lag.
Die Pistole kam üblicherweise in einer Pappschachtel, die mit ein Holzmuster (Jahresringe) bedruckt war sowie einem auf dem Deckel aufgeklebten Papierstreifen. Anleitungen gab es in Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch.
Präsentationsboxen gab es in verschiedenen Ausführungen. Bei der hier gezeigten Schachtel handelt es sich um eine Box mit scharzem Stoffbezug, grünem Samt-Inlay mit goldenem FN-Schriftzug und einer Knopfschließe. Es gab auch solche mit Lederbezug und zwei Hakenschließen. Auch gibt es Schachteln ohne FN-Schriftzug auf dem Samt. Ebenso ändert sich im Laufe der Produktion die Anordnung des Zubehörs in der Kasette.
Frühe Ausführung der Griffschalen mit einer FN Modell 1900 Pistole und einem stilisierten FN im Oval.
Zeichnungen des US Patents 621747 von 1897. Das spätere Design der Modelle 1899 / 1900 ist klar erkennbar.
Abmessungen:
Länge | Lauflänge | Höhe | Breite | Gewicht | Magazinkapazität | Seriennummern-bereich | |
FN 1900 | 163 mm | 102 mm | 102 mm | 32 mm | 625 g | 7 | 200- 7211XX Im Bereich unter 200 wurden nicht alle Nummern ausgeschöpft. |
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